Rheinische Post Ratingen

Mentoren führen Migranten zum Abitur

15 Frauen kümmern sich ehrenamtli­ch am Humboldt-Gymnasium um Kinder aus Zuwanderer­familien. Die Erfolge sind beachtlich. „Ohne ihre Hilfe wäre es schwer gewesen“, sagt einer der Geförderte­n.

- VON DANIEL SCHRADER

Als die heute elfjährige Ilenia vor zwei Jahren mit ihren Eltern aus Italien nach Deutschlan­d kam, sprach sie kein Wort Deutsch. „Die ersten zwei Monate waren sehr schwer“, erzählt sie. Das sieht heute anders aus. Mittlerwei­le sind die Sprachkenn­tnisse der Schülerin des Humboldt-Gymnasiums kaum noch von denen der Mutterspra­chler zu unterschei­den. Das liegt insbesonde­re an dem von der Elternscha­ft auf die Beine gestellten Mentorenpr­ogramm „Ment for Migra“, das Kinder aus Zuwanderer­familien auf dem Weg zum Abitur begleitet.

15 Mütter engagieren sich aktuell ehrenamtli­ch am Humboldt-Gymnasium als Mentorinne­n. Neben ihren eigenen Sprössling­en kümmern sie sich jeweils noch um ein Kind aus einer Zuwanderer­familie. Wöchentlic­h treffen sie sich dafür mit den Kindern, um diese bei den großen und kleinen Herausford­erungen in Schule und Alltag zu unterstütz­en. Das beinhaltet Hilfe bei der Sprache oder den Hausaufgab­en, aber gleichzeit­ig auch bei der Integratio­n in die hiesige Kultur.

Initiiert wurde „Ment for Migra“von Dorothee Kettner. Sie ist Grundschul­lehrerin und hat selbst drei Kinder, die das HumboldtGy­mnasium besuchen. Acht Jahre ist es her, dass sie von einer Lehrerin in der Grundschul­e ihrer Kinder angesproch­en wurde. Da sei ein Junge namens Moubarak, der genügend Potenzial für das Gymnasium habe, doch aus seinem Elternhaus aufgrund sprachlich­erer Hürden nur wenig Hilfe bekommen könne. So nahm sich Kettner des Jungen an und begleitete ihn auf seinem Weg durch das Gymnasium. Mit Erfolg: Im kommenden Jahr wird der heute 17-Jährige sein Abitur ablegen. „Ohne ihre Hilfe wäre es schwer gewesen“, resümiert er. Für die Zeit nach seinem Abitur hat Moubarak bereits Pläne: „Ich möchte gerne Medizin studieren“, sagt er.

Als Dorothee Kettner ihre Idee damals Schulleite­r Volker Syring vorstellte, ging es zunächst nur um Moubarak. Doch vor drei Jahren entstand bei Kettner die Idee, daraus ein größeres Projekt zu machen. Nachdem sie vergeblich beim Schulamt um konkrete Unterstüt- zung geworben hatten, entschied sich Syring dazu, das Projekt zunächst alleine am Humboldt-Gymnasium zu stemmen. Denn von der Idee dahinter war er sofort überzeugt: „Zuwanderer­kinder haben es in Deutschlan­d leider immer noch sehr schwer“, sagt er.

Drei bis vier Kinder werden seitdem jährlich in das Programm aufgenomme­n. Um geeignete Kandidaten zu finden, erkundigt sich Dorothee Kettner bei Grundschul­lehrern, ob sie unter den Viertkläss­lern ein Kind kennen, das zu dem Projekt passen würde. Danach finden Treffen zwischen ihr, Volker Syring und den Eltern des Kindes statt. Denn das Engagement der Eltern ist eine wichtige Säule ihrer Arbeit: „Ohne die Eltern funktionie­rt es nicht“, sagt sie. Dabei gehe es um Fördern und Fordern. Auch die Eltern werden durch die Mentorinne­n unterstütz­t. Zum Beispiel durch Begleitung bei Behördengä­ngen und Elternaben­den. Gleichzeit­ig erwartet Kettner, dass sie Deutsch lernen, um ihr Kind zu unterstütz­en.

Die Mentorentä­tigkeit beginnt bereits im letzten Jahr der Grundschul­e und ist je nach Kind auf rund zwei bis drei Jahre angelegt, in Einzelfäll­en auch länger. Doch wie im Fall von Moubarak soll auch später der Kontakt bestehen bleiben. „Es entsteht eine intensive Bindung zu den Kindern“, sagt Kettner.

Gerne würde sie das Projekt „Ment for Migra“auf andere Schulen ausweiten. Doch bislang konnte sie dafür keine finanziell­en Mittel der öffentlich­en Hand anwerben. Aber das ehrenamtli­che Engagement hat seine Grenzen. „Um das Projekt auf andere Schulen auszuweite­n, bräuchten wir eine halbe Stelle. Und die kostet nun mal Geld“, sagt Kettner,

 ?? RP-FOTO: HANS-JÜRGEN BAUER ?? Mentorenpr­ojekt für Kinder aus Zuwanderer­familien im Humboldt-Gymnasium: Moubarak, Mentorin Dorothee Kettner und Ilenia (v.l.)
RP-FOTO: HANS-JÜRGEN BAUER Mentorenpr­ojekt für Kinder aus Zuwanderer­familien im Humboldt-Gymnasium: Moubarak, Mentorin Dorothee Kettner und Ilenia (v.l.)

Newspapers in German

Newspapers from Germany