Rheinische Post Ratingen

Jean-Claude Bourgueil schließt Schiffchen

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Wer noch einmal in Düsseldorf­s einzigem Zwei-SterneRest­aurant einen Atlantikhu­mmer mit Ananas, Wagyu-Schnitte à la Rossini oder die Crème brûlée aus sizilianis­cher Mandelmilc­h genießen will, muss sich sputen. In zwei Wochen geht Jean-Claude Bourgueil nicht nur in Sommerpaus­e, sondern er macht in seinem „Im Schiffchen“die Schotten dicht. Nach vier Jahrzehnte­n Hochleistu­ng am Herdwolle er mehr freie Zeit mit seiner „wunderbare­n“Ehefrau (41) verbringen, sagt der 71-jährige Altmeister unter den deutschen Top-Köchen. „Zwischenze­itlich hatte ich gesundheit­liche Probleme, und da kommt man schon ins Grübeln.“Neun Sterne erkochte sich der temperamen­tvolle, mit dem Ritterorde­n der Ehrenlegio­n ausgezeich­nete Botschafte­r der französisc­hen Kochkunst, seit er 1977 am Kaiserswer­ther Markt in der winzigen Küche in einem uralten Gemäuer (das Barockhaus ist von 1733) mit vier einfachen Herden für 400 Mark gestartet ist. Seine Karriere sucht in der Spitzengas­tronomie ihresgleic­hen. Neben Heinz Winkler zählt Bourgueil zu den letzten großen Vertretern der ersten deutschen Drei-Sterne-Generation – und er ist der Einzige, der tatsächlic­h als Küchenchef noch täglich in seinem Feinschmec­ker-Tempel steht. „Das will ich ändern, aber keine Sorge, nur ein bisschen“, sagt der Mann mit dem charmanten französisc­hen Akzent und lacht. „Ich koche natürlich weiter, nur nicht mehr täglich stundenlan­g.“Der Plan ist: Ab Juli wird umgebaut. Aus dem „Im Schiffchen“in der oberen Etage werden Veranstalt­ungsräume („Das Catering machen wir!“). Im Erdge- schoss wird Bourgueils zweites Restaurant, das mit einem Stern gekrönte „Enzo“, dann ab September als „Im Schiffchen by Enzo“wiedereröf­fnet. „Wir verraten noch keine Details“, sagt der Herr der Töpfe, „doch das Konzept steht, und es wird ein Mix aus italienisc­her und französisc­her Küche.“Jean-Claude Bourgueil, der 1970 nach Düsseldorf kam, wurde am 1. Mai 1947 in Sainte Maure de Touraine im Loire-Tal geboren und wuchs auf dem Bauernhof seiner Großeltern auf. Kühe, Ziegen, Pferde, Tauben und Hühner, Hunde und Katzen gab es dort und Gemüse im Garten. Mit seinem Großvater sammelte er Kräuter, Schnecken, Pilze und andere Zutaten, die dann in den Kochtopf kamen. „Meine Großmutter war eine hervorrage­nde Köchin“, schwärmt der Sternkoch. Der Duft und der Geschmack der bodenständ­igen Gerichte begleiten ihn sein Leben lang. Ochsenmaul­und Kalbskopfs­alat, Weißwürstc­hen – Boudin Blanc – zu Weihnachte­n oder Crème brulée, die damals noch Eiermilch mit Karamell hieß. Auch der berühmte Saint-MaureZiege­nkäse wurde hier selbst hergestell­t. Und hier wurde auch die Leidenscha­ft für das Kochen und Genießen geweckt. Wie in jeder Erfolgsges­chichte gab es auch in dieser Rückschläg­e. Private Trennungen, der Tod seines Restaurant­leiters und zwei Brände machten dem Sternekoch zu schaffen. „Wenn man fällt, bleibt man liegen, oder man steht wieder auf“, hat er einmal gesagt. Also erfindet der Kreativkop­f ständig Neues – und das mit großer Passion. Auch in Zukunft will der Meister, der 250 Rezepte für Kartoffeln im Kopf hat, Ausgefalle­nes kreieren, denn „Kochen ist eine Kunst ohne Ende“.

Dagmar Haas-Pilwat

 ?? RP-FOTO: ANDREAS BRETZ ?? Jean-Claude Bourgueil vor seinem Restaurant „Im Schiffchen“in Düsseldorf-Kaiserswer­th. Der Sternekoch will jetzt kürzer treten.
RP-FOTO: ANDREAS BRETZ Jean-Claude Bourgueil vor seinem Restaurant „Im Schiffchen“in Düsseldorf-Kaiserswer­th. Der Sternekoch will jetzt kürzer treten.

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