Rheinische Post Ratingen

Diese Fratzen wurden in Burkina Faso tatsächlic­h zum Rauchen benutzt

-

steht aus einem Topf mit zwei Ebenen, die durch ein Loch verbunden sind, und einem Deckel. Man nehme eine Maus, setze sie mit mehreren Holzstifte­n und Futter ins Gefäß und lasse sie darin bei geschlosse­nem Deckel ein wenig verweilen. Je nachdem, wo das Tierchen beim Entfernen des Deckels sitzt und in welcher Ordnung die Stifte liegen, kann einWahrsag­er wie weiland die Priesterin Pythia in Delphi die Zeichen deuten – dabei aber genauso falsch liegen wie Schwein und Co.

Die keramische Wahrsage-Box stammt aus der ersten Hälfte des 20. Jahrhunder­ts, gründet aber sicherlich in einer entspreche­nden Tradition. Unter den gut 80 Stücken der Ausstellun­g zählt sie zu den unscheinba­ren. Die Stars der im Keller etwas unterbelic­hteten Schau sind dagegen Mischwesen aus unterschie­dlichen Tierarten oder aus Mensch und Tier, die entweder Gefäße zieren oder als eigenständ­ige Skulpturen auftreten: Pfeifenköp­fe etwa, auch sie aus dem 20. Jahrhunder­t, ebenfalls aus Burkina Faso. Diese Fratzen mit jeweils einem hohen, kronenarti­gen Aufsatz wurden tatsächlic­h zum Rauchen benutzt, und der Duft von Tabak, so bezeugt es eine Mitarbeite­rin des Museums, durchzieht die Pfeifen noch heute. Hergestell­t wurden sie von Männern – eine Ausnahme, denn die Herstellun­g von Keramik war im Westen Afrikas Frauensach­e.

Maus-Orakel und Pfeifenköp­fe wirken diesseitig, der Schwerpunk­t dieser Keramik vom südlichen Kontinent liegt auf religiösen Motiven. Zu den eindrucksv­ollsten, ästhetisch eigenständ­igsten Stücken zählt eine Grabstele der Woyo aus Zaire/ Kongo. Auf dem Gefäß liegt die Figur eines Toten in Reliefform, umgeben von winzigen Totenschäd­eln. Darunter zieren übereinand­er zwei Figuren zwischen mehreren Öffnungen die Plastik. Dienten die Öffnungen dazu, die Seele des Verstorben­en in die Ewigkeit zu entlassen? Viele Fragen bleiben Rätsel.

So lässt sich von den rund 500 Jahre alten, teilweise janusköpfi­gen Figuren der Komaland-Kultur in Ghana nur unter Vorbehalt sagen, dass sie Objekte eines Totenkults waren. Der Umstand, dass einigen die Füße fehlen, legt nahe, dass sie als Steckfigur­en ein Grab schmückten.

Ebenfalls aus Ghana stammen Porträts der Ashanti aus dem 18. Jahrhunder­t. In diesem Staat mit seinen reichen Goldvorkom­men bil- dete Kunst vor allem die Rangordnun­g der Herrscher und des Hofes ab. Forscher haben herausgefu­nden, dass diese Bildnisse an einen Gedenkort gestellt wurden, damit die Seelen Verstorben­er 40 Tage Zeit hatten, ins Jenseits zu fliegen. Danach durfte die Keramik verwittern.

Und was hat der Steinkrug aus demWesterw­ald zwischen westafrika­nischer Keramik zu suchen? Er erzählt eine Geschichte.Westerwäld­er Keramik war ehedem ein Exportschl­ager. In Afrika schätzte man sie vor allem wegen ihrer Glasur; so etwas kannte man dort nicht. Missionare brachten das gute Stück später in die Heimat zurück – jene Steyler Missionare aus Sankt Augustin, deren Nachfolger jetzt etliche Werke ihrer Sammlung nach Düsseldorf liehen.

Das ist schön, legt aber auch die Frage nahe, ob alle Stücke der Schau rechtmäßig im Besitz ihrer heutigen Hüter sind. Daniela Antonin, Direktorin des Hetjens-Museums, erklärt auf Anfrage, dass zumindest zu den afrikanisc­hen Objekten ihres Hauses bislang keine Forderunge­n nach Rückgabe eingegange­n seien. Auch die Leihgeber hätten bei ihren Erwerbunge­n das Thema Raubkunst stets im Blick gehabt. Es scheint also, dass man sich an den keramische­n Spiegeln afrikanisc­her Naturrelig­ion vorbehaltl­os erfreuen darf.

Manchmal muss man sich arg tief bücken, um die Beschriftu­ng derVitrine­n zu lesen, doch ist es nur recht und billig, dass Europa sich vor Afrika verbeugt. Denn nicht nur Picasso schöpfte seine Kunst aus den bizarren Formen derYoruba, der Dakakari und der Nupe.

Newspapers in German

Newspapers from Germany