Mit höchster Sorgfalt vorgehen
Drei Hotels und ein Studentenwohnheim sollten an der Harkortstraße am Hauptbahnhof entstehen – so war es zumindest 2016 angedacht, als die Stadt einen Wettbewerb für das Areal, das früher als Verlade-Station für Autoreisezüge diente, ausgelobt hatte. Doch inzwischen ist klar: Ein Wohnheim wird nicht gebaut, wohl aber entstehen die Hotels. Grund: der Bahnlärm.
„Wir haben gemeinsam mit der Stadt alle Optionen geprüft. Doch mehrere Gutachten haben bestätigt, dass wegen des Lärms eine Wohnnutzung dort nicht möglich ist, sondern nur vorübergehende Aufenthalte“, sagt Clemens Jung vom Vorstand des Immobilien-Entwicklers GBI, der das Bauprojekt managt.
Dass keine Wohnungen entstehen, bedauern alle Seiten – zumal der Druck, mehrWohnraum in Düsseldorf zu schaffen, groß ist. Immer häufiger werden deshalb auch Flächen entwickelt, die auf den ersten Blick unattraktiv fürs Wohnen sind – etwa, weil sie an stark befahrenen Bahnschienen liegen. Man will damit der Nachfrage nachWohnungsbau in zentraler Lage gerecht werden – auch, um das wichtigste Ziel der Stadtplanung zu erreichen: die Innen- vor Außenverdichtung. Bedeutet: Bevor in Randlagen mehr gebaut wird, sollen die Ressourcen der City ausgenutzt werden. Planungs- dezernentin Cornelia Zuschke sieht darin viele Chancen: „Flächen an Bahnstrecken haben oft einen großen Vorteil: Sie sind gut erschlossen. Wenn wir dort Wohnungen errichten, sind die Menschen, die dort später leben, nicht unbedingt aufs Auto angewiesen. „Das ist wichtig, um die Stadt vom Autoverkehr zu entlasten“, sagt sie. Wohnungsbau darf nie ohne Verkehrsentwicklung gedacht werden, ist eine Regel der Planer. Innerstädtische Bahnflächen böten zudem häufig die Chance, wieder Leben in lange vernachlässigte Areale zu bringen, meint auch Reiner Nittka von GBI. Aber es gebe auch Grenzen, betont Zuschke:„Wir haben eine großeVerantwortung: Wir müssen für gesunde Lebensbedingungen sorgen. Ist das nicht möglich, dann können keine Wohnungen entstehen.“
Ein Beispiel, wo es mit dem Wohnen im Lärm klappen soll, ist das Projekt an Worringer-/Gerresheimer Straße. Zwischen Wehrhahn und Bahntrasse sollen 440 Wohnungen entstehen. Der Clou: Die Häuser werden so gebaut, dass die Bewohner vom Lärm auf Straßen und Schienen so wenig wie möglich mitbekommen. Zur Bahn hin entsteht eine geschlossene Häuserfront, Fenster auf dieser Seite können zum Teil nicht geöffnet werden. Zwischen dem Häuserblock an den Schienen und dem an der Straße soll ein Innenhof entstehen. Dort wird es ruhig sein, Balkone und Terrassen gehen zu dieser Seite hinaus. Ein solcher ruhiger Innenbereich war beim Studentenprojekt am Hauptbahnhof nicht zu verwirklichen.
Im Entwurf für den Bebauungsplan an der Worringer Straße ist sogar geregelt, in welcher Reihenfolge die Häuser gebaut werden und ab wann dort Menschen einziehen dürfen – nämlich erst dann, wenn die Konstruktion so steht, dass sie Lärm mindert Die Architektur könne vieles möglich machen, sagt auch Uwe Schmitz von Frankonia Eurobau, der etwa das Andreas Quartier in der Altstadt entwickelt hat. Für die Branche sei es keine besondere Herausforderung mehr, in so verdichteten Gebieten zu bauen. „Vor 15 Jahren wäre niemand auf die Idee gekommen, Flächen an Bahnstrecken für Wohnungsbau zu entwickeln“, sagt er. Jetzt sei der Druck so groß, dass eben auch diese Flächen gebraucht würden – und es gebe genügend Möglichkeiten, gute Lösungen zu finden. „Ein Vorbild ist dabei die Stadt Hamburg. Dort wurde schon vor zehn Jahren im Hafen gebaut, und um dem Lärm entgegenzuwirken, wurden besondere Doppelfenster entwickelt“, sagt Alexander Fils (CDU), Vorsitzender des Planungsausschusses. Auch er hält es für gut, unattraktiv erscheinende Orte neu zu planen, „weil dann alle Flächen einer Stadt gut genutzt werden“.
Letztlich hilft beim Bau im Lärm noch ein anderer Faktor, sind sich Experten einig: Der Anspruch der Städter an die Geräuschkulisse um sie herum ist gering. Sie stören sich an etwas mehr Lautstärke nicht.
Düsseldorf wächst weiter. Grundstücke in guter Lage gibt es kaum noch, und dort, wo es sie gibt, ist es besonders teuer. Wenn die Stadt also das Wachstum weiter fördern will, die City für all jene, die ihren Arbeitsplatz dort haben, auch als Wohnort attraktiv machen möchte, hat sie keine andere Möglichkeit, als auch Orte in den Fokus zu nehmen, die früher für Wohnbebauung nicht in Betracht gekommen wären. Doch das ist nicht einfach, das zeigen die jüngsten Beispiele zu Projekten an der Bahn: An einigen Stellen geht es, an anderen eben nicht. Das hängt von vielen Faktoren ab, der geplanten Architektur, dem Platz, dem Umfeld. Es ist gut, dass Düsseldorf sich traut, auch diesen herausfordernden Weg zu gehen. Gerade weil es ein so schmaler Grat zwischen dem noch verträglichen und dem unmöglichen Leben im Lärm ist, muss mit höchster Sorgfalt vorgegangen werden. Dafür benötigt man Zeit. Was auch bedeutet, dass der Druck von außen nicht zu groß sein darf. Einige Verfahren dauern eben.