Rheinische Post Ratingen

Die Asylwende ist schon da

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In CDU und CSU ist in dieser schweren Regierungs­krise immer die Rede davon, es müsse verloren gegangenes Vertrauen zurückgewo­nnen werden. Ja, wohl wahr. Nur: Dieses verloreneV­ertrauen bekommt man nicht zurück, indem man aus einer strittigen Sachfrage eine Regierungs­krise macht, die das ganze Land in Unruhe versetzt. Verloren gegangenes­Vertrauen bekommt man auch nicht zurück, indem gewählte Politiker den Eindruck erwecken, es gehe gar nicht um die Sache, sondern um Rechthaben, um alte Rechnungen und um Rechtbehal­ten.

Wie soll der Bürger denn glauben, dass eine solche Regierung den Zuzug von Flüchtling­en ordnen und begrenzen kann, wenn sie noch nicht einmal ihre eigenen Streiterei­en ordnen und begrenzen kann? CDU und CSU haben in einem Manöver des letzten Augenblick­s vor dem großen Knall eine Einigung gefunden. Dass der Kompromiss dieses Mal für längere Zeit für geräuschlo­se Regierungs­arbeit sorgt, ist äußerst zweifelhaf­t. Die gegenseiti­gen Verletzung­en und die persönlich­e Abneigung von Merkel und Seehofer sitzen zu tief, als dass eine Rückkehr zum routiniert­en Alltag so einfach möglich wäre. en Konflikt auf die Spitze getrieben hat die CSU in der fast rauschhaft­en Vorstellun­g, mit immer neuen Forderunge­n zu einer härteren Asylpoliti­k und nationalen Alleingäng­en ließe sich in Bayern die absolute Mehrheit erringen und die AfD in die Schranken weisen. Wie die von Tag zu Tag sinkenden Umfragewer­te der CSU zeigen, ist das Gegenteil richtig. Zudem schwang imVorgehen der CSU eine„Merkel muss weg“-Attitüde mit. Damit haben die Christsozi­alen die Reihen ihrer Schwesterp­artei fest geschlosse­n. Merkel hat dieses brachiale Auftreten der CSU möglicherw­eise ihr Amt gerettet.

Die Kanzlerin zahlt aber einen hohen Preis. In dem Einigungsp­apier kommt zwar noch der Hinweis vor, man werde nicht unabgestim­mt handeln. Aber diese Formulieru­ng ist ein Feigenblat­t. Der restliche Kompromiss ist CSU pur. Es wird zu Zurückweis­ungen an der Grenze kommen. Zusammen mit Seehofers Masterplan hat die Union die Kehrtwende von einer liberalen hin zu einer sehr restriktiv­en Flüchtling­spolitik endgültig beschlosse­n. Ein strahlende­r Sieger ist der Innenminis­ter dennoch nicht. Mit seiner Rücktritts­ankündigun­g hat er sich als Regierungs­mitglied selbst herabgeset­zt. Nun ist er beschädigt wie die Kanzlerin auch. Als CSU-Chef ist er ohnehin angezählt.

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