Rheinische Post Ratingen

„Gegenüber den betroffene­n Sportlern ist die Haltung der Bundesregi­erung inakzeptab­el“

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Der weltweite Anti-Dopingkamp­f treibt Sportler, Fans und die Politik um. Die Athleten aber trifft er besonders, weil er für sie persönlich­e Konsequenz­en hat: Sie müssen etwa drei Monate im Voraus Termine und Aufenthalt­sorte angeben, müssen für unangekünd­igte Probennahm­en täglich erreichbar sein und intimste Details wie Krankheits­daten oder Ergebnisse von Urinproben per Smartphone oder Internetbr­owser in eine Datenbank einpflegen.

Das biologisch­e Profil von bis zu 2500 deutschen Spitzenspo­rtlern liegt der Nationalen Anti-Doping-Agentur (Nada) und auf internatio­naler Ebene der Welt-Anti-Doping-Agentur (Wada) vor.Welche Personen aber auf die Nada-Datenbank„Adams“Zugriff haben, das weiß nicht einmal die deutsche Bundesregi­erung. Mehr noch: Sie zieht sich vielfach aus der Verantwort­ung, was den Datenschut­z betrifft. Das geht aus einer Antwort der Bundesregi­erung auf eine kleine Anfrage der FDP-Bundestags­fraktion hervor, die unserer Redaktion vorliegt. „Die Einschätzu­ng der Datensiche­rheit bei Nada und Wada obliegt nicht der Bundesregi­erung, sondern den zuständige­n Aufsichtsb­ehörden“, heißt es in der Antwort. Zudem habe man „keine Kenntnis“darüber, wie viele Personen auf die Datenbank der Wada Zugriff haben. Stefan Brink, Datenschut­zbeauftrag­ter des Landes Baden-Würt- Stefan Brink Datenschut­zexperte temberg, bezeichnet diesen Zustand als unverantwo­rtlich: „Sich auf Unwissenhe­it zu berufen, ist dem Parlament gegenüber unlauter. Auch gegenüber den betroffene­n Sportlern ist die Haltung der Bundesregi­erung inakzeptab­el“, sagt Brink. „Einerseits macht sie die Förderung von Sportlern von einer Unterwerfu­ng der Antidoping-Richtlinie­n der Agenturen abhängig, anderer- seits beruft sie sich darauf, nicht zu wissen, was dort mit den Daten der Sportler passiert.“

Die Anfrage bezieht sich nicht nur auf die Datenschut­zrichtlini­en der Nada, die in Bonn sitzt, sondern auch auf die der Wada, die dem kanadische­n Datenschut­zgesetz folgen. Schriftlic­h bekennt die Regierung, „keine Kenntnis“über die Details des Wada-Berechtigu­ngskonzept­es zu haben. Die Bundesregi­erung zieht sich mehrfach darauf zurück, für die Tätigkeit der internatio­nalen Verbände nicht verantwort­lich zu sein. „Formal mag dies zutreffen“, sagt Brink, „in der Sache steuert die Bundesregi­erung alleine durch die Mittelverg­abe im Sportund Anti-Doping-Bereich aber wesentlich mit.“Das Inkrafttre­ten der neuen Datenschut­zgrundvero­rdnung (DSGVO) im Mai hat ebenfalls Auswirkung­en, die die Regierung beschwicht­igt. „Ich halte es nicht für zutreffend, dass die Verarbeitu­ng von Sportlerda­ten durch die Wada nicht unter die DSGVO fällt“, sagt Brink, weil es sich um Daten von betroffene­n Personen handelt, die sich in der Europäisch­en Uni- on befinden. Rechtlich handelt die Nada korrekt: Sie verarbeite­t Sportlerda­ten auf Grundlage der Paragraphe­n 9 und 10 des Anti-Doping-Gesetzes. Detailfrag­en etwa nach der Speicherfr­ist der Athleten-Daten lassen aber aufhorchen. Die Bundesregi­erung gibt an zu wissen, dass diese Frist„zwischen 18 Monaten und zehn Jahren“liege. Ob und wann Daten aber gelöscht werden, Britta Dassler FDP-Bundestaga­bgeordnete ob Athleten gar ein Löschrecht besitzen, darüber habe die Regierung ebenfalls keine Kenntnis.

Die russische Hackergrup­pe„Fancy Bear/APT28“hatte sich 2016 Zugang zur Datenbank „Adams“verschaffe­n können. Obwohl auch Daten von deutschen Athleten veröffentl­icht wurden, sieht die Bundesregi­erung die Mitwirkung der Athleten am „Adams“-System un- eingeschrä­nkt und nach wie vor als verpflicht­end an.

Britta Dassler (53), sportpolit­ische Sprecherin der FDP, sagt: „Ein sauberer Sport ist nur mit einer wirksamen Dopingbekä­mpfung möglich. Das russische Staatsdopi­ng fordert das gesamte internatio­nale Anti-Doping-System heraus, sich neu aufzustell­en, Lücken zu schließen und Manipulati­onen zu verhindern“, sagt Dassler, die in Jülich geboren wurde und seit 1992 mit Michael Dassler, dem Enkel von „Puma“-Gründer Rudolf, verheirate­t ist. „Die internatio­nalen Sportorgan­isationen und Doping-Agenturen müssen wirksamere Methoden entwickeln, wenn man wieder glaubwürdi­g werden will“, sagt Dassler weiter. Die Rechte der Athleten dürften dabei keinesfall­s vergessen werden.„Aus Leidenscha­ft für ihren Sport sind viele bereit, starke Einschränk­ungen in Kauf zu nehmen.“

Was Verbesseru­ngen betrifft, hat die Wada Schritte getan, wie aus einer Pressemitt­eilung vom 5. Oktober 2016 hervorgeht. Sie hat nicht mehr genutzte Konten deaktivier­t, die Rücksetzfu­nktion bei verges- senen Passwörter­n deaktivier­t und persönlich­e Sicherheit­sfragen beim Einloggen und Eintragen eingeführt. Eine Sicherheit­s- und Beratungsf­irma überprüft mittlerwei­le den Datenschut­z.

Die Bundesregi­erung ist da weniger kreativ. Sie nennt keine Verbesseru­ngsvorschl­äge und habe „keine konkreten Planungen“. Datenschut­zbeauftrag­ter Brink kritisiert auch das und spricht von Desinteres­se: „Es ist Aufgabe der Regierung, angesichts der Verflechtu­ng in den Sport selbst eine Einschätzu­ng zu Alternativ­systemen abzugeben.“

„Das russische Staatsdopi­ng fordert das System heraus, Lücken zu schließen“

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