Rheinische Post Ratingen

Besser einen Schritt voraus

Es ist ein andauernde­s Wettrüsten zwischen Kriminelle­n und allen, die sich schützen wollen. Einbrecher seien oft einen Schritt voraus, heißt es. Es sei denn, Wohnungsbe­sitzer halten sich ebenfalls auf dem aktuellen Stand der Dinge.

- VON JÜRGEN GROSCHE

Die Kriminalst­atistik weist für 2017 einen Rückgang der Wohnungsei­nbrüche aus – eigentlich eine gute Nachricht. Die Polizeibeh­örden erfassten für das vergangene Jahr insgesamt rund 117.000 Einbrüche – sowohl versuchte wie auch vollendete. Das sind 23 Prozent weniger als 2016. Die Aufklärung­squote erhöhte sich leicht auf 17,8 Prozent. Im Jahr 2016 hatte sie noch bei 16,9 Prozent gelegen.

Klingt gut. Auf der anderen Seite heißt das aber: „Immer noch werden mehr als 80 Prozent der Wohnungsei­nbrüche nicht aufgeklärt“, sagt Ulrich Weynell, Vorstandsv­orsitzende­r des Sicherheit­sunternehm­ens ISN Technologi­es, der die Statistik damit für irreführen­d hält. Zudem sind die Wohnungsbe­sitzer selbst aktiver als früher, schützen sich mehr und tragen so dazu bei, dass Einbrüche erfolglos bleiben. „Viele Täter ziehen weiter, wenn sie für einen Einbruch zu lange brauchen“, erklärt Weynell.

Es bleibt – und wird zunehmend – Aufgabe der Bürger, für Sicherheit zu sorgen. „Wir müssen uns selbst schützen“, mahnt Weynell, „vieles kann der Staat nicht mehr leisten“. Der Sicherheit­sexperte rät aber auch zu einer gewissen Gelassenhe­it: „Hundertpro­zentigen Schutz gibt es nicht. Wir müssen mit Restrisike­n leben.“Die können Wohnungsbe­sitzer aber minimieren, wie Weynell und Mitarbeite­r von ISN eindrückli­ch beim RP-Si- cherheitsf­orum „Sicherheit in Deutschlan­d“veranschau­lichen.

Sicherungs­maßnahmen müssen keine optische Festung aus einem Haus machen. „Man ist heute in der Lage, Gebäude sicherheit­stechnisch so auszustatt­en, dass sie ohne Beeinträch­tigung der Optik, des Designs oder der Handhabung gesichert sind“, betont Weynell und erläutert, worauf es ankommt: „Ein Gebäude hat bei den Fenstern drei Schwachste­llen: Glas, Beschlag und Rahmen.“

Und für alle drei Bereiche gibt es Lösungen. Beispiel Scheibe: Selbst standardmä­ßiges, vier Millimeter dickes Glas lässt sich heute durch Spezialfol­ie so sichern, dass Einbrecher selbst mit Hammerschl­ägen die Scheibe nicht so zertrümmer­n können, dass sie durchs Fenster einsteigen könnten. Die Scheibe zersplitte­rt zwar, aber das Glas wird durch die Folie zusammenge­halten.

Den Beschlag öffnen Einbrecher gerne, indem sie ins Getriebe bohren. Dagegen kann man sich mit Schlössern schützen. Nun haben sich die Täter etwas Neues überlegt: Sie brechen das Fenster neben dem Öffnungshe­bel auf und legen den Griff von innen so um, dass sie das Fenster öffnen können. Doch auch hierfür können Weynell und seine Mitarbeite­r Gegenmitte­l präsentier­en: eine Pilzkopfza­pfenverrie­gelung. Sie erschwert es den Missetäter­n, das Fenster aufzuhebel­n.

„80 Prozent der Täter brechen durch Fenster und Rahmen ein“, weiß Weynell, „und sie brauchen im Schnitt zehn Sekunden dafür.“Umso wich- tiger sei ein effiziente­r Schutz. Zumal sich eine neue Tätergrupp­e ausbreitet: Organisier­te Profis, die sich auch durch eine gute mechanisch­e Sicherung nicht abschrecke­n lassen. Sie ziehen nicht weiter, wenn es länger dauert. „Wir erzielen hier Top-Resultate, indem wir die mechanisch­e Sicherung mit der elektronis­chen kombiniere­n“, sagt Weynell. Die Spezialist­en installier­en eine funkbasier­te Alarmtechn­ik, also ohne Kabel verlegen zu müssen. Die Anlage sendet bei Einbruchsv­ersuchen sofort eine Meldung an die Alarmzentr­ale.

Das System zeichne sich gleich durch mehrere Vorteile aus, erläutert der Experte. Zum einen: „Die Zeit läuft gegen die Täter.“Wegen der aufgerüste­ten mechanisch­en Sicherung brauchen die Einbrecher länger. Die Alarmzentr­ale wiederum empfängt in Echtzeit Bilder vom Tatort, die Wachleute können sie sofort an die Polizei leiten, die ebenso schnell reagieren kann. „Wichtig ist, dass es hier keine Fehlalarme gibt“, fügt Weynell hinzu. Denn sonst verliere die Polizei das Vertrauen in den Sicherheit­sdienst. Daher nutzt ISN VdS-zertifizie­rte Anlagen, zudem ist die Sicherheit­sleitzentr­ale nach DIN EN 50518 zertifizie­rt und entspricht damit der höchsten europäisch­en Norm. Ein solches System genießt in der Branche und bei der Polizei hohe Reputation.

Was gar nicht geht: Fenster offenzulas­sen. „Auch ein gekipptes Fenster wird von der Versicheru­ng wie ein offenes Fenster gewertet“, gibt Weynell zu bedenken. Es gebe heute aber auch eine Lösung dafür, Fenster im gekippten Zustand zu sichern. „Wenn die Lösung zertifizie­rt ist, akzeptiert die Versicheru­ng das.“Und selbst wenn die Täter dann KO-Gas ins Haus leiten, gibt es ein Gegenmitte­l: KO-Gas-Melder.

Die Entwicklun­g wird allerdings weitergehe­n, weiß der Experte auch: „Die Kriminelle­n informiere­n sich auf Sicherheit­smessen über die neuesten Maßnahmen.“Also müssen sich auch Wohnungsbe­sitzer auf dem Laufenden halten. Der Kampf zwischen Gut und Böse geht weiter, aber die gute Seite hat immer bessere Argumente.

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FOTOS: MICHAEL LÜBKE Selbst wenn man mit einem Kuhfuß mit voller Wucht auf die mit Spezialfol­ie verstärkte Scheibe schlägt, kann man sie nicht zertrümmer­n. Das demonstrie­rt Ulrich Weynell vom Unternehme­n ISN Technologi­es (links) zusammen mit einem Mitarbeite­r beim RP-Forum...
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Ulrich Weynell (rechts) erklärt beim RP-Forum „Sicherheit“auch, wie Diebe Fenster aufhebeln und was man dagegen tun kann.

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