Rheinische Post Ratingen

„Ich glaube, dass wir da eine pragmatisc­he Lösung für die fünf Leute gefunden haben“

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(mar) Olaf Scholz ist ein Spätstarte­r. Zumindest, was seinen Start in der großen Koalition angeht. In den ersten drei Monaten als Bundesfina­nzminister blieb der SPD-Vizekanzle­r oft einsilbig und wirkte seltsam gehemmt. Bei vielen Sozialdemo­kraten machte sich schon Unmut darüber breit, dass Scholz sein mächtiges Amt so wenig nutzte, um die Partei nach vorne zu bringen.

Doch seit ein paarWochen ist diese Phase der Unsicherhe­it vorbei. Der Vizekanzle­r hat Tritt gefasst. Fragen beantworte­t der Mann, der früher wegen seiner hölzernen Sprechweis­e auch „Scholzomat“genannt wurde, plötzlich nicht mehr mit einem nüchternen „Ja“oder „Nein“. Scholz holt jetzt länger aus, wenn es ihm wichtig wird. Auffällig dabei ist, dass er sich vor allem dann gerne zu Wort meldet, wenn es gar nicht um sein Ressort, die Finanzpoli­tik, geht, sondern um die größeren politische­n Linien.

So geschehen auch am Freitag, als Scholz den Bundeshaus­halt für das kommende Jahr vorstellt. Gefragt nach seiner Bewertung der vergangene­n Wochen, in denen der Schwestern­streit zwischen CDU und CSU die Koalition fast zum Platzen brachte, sagt Scholz, er hof- fe, dieses „Sommerthea­ter“sei jetzt vorbei. Nur mit Hilfe der SPD sei es gelungen, zu einem vernünftig­en Asylkompro­miss zu kommen. In der Sache teilt Scholz keineswegs die Auffassung des Innenminis­ters, dass die EU-interne Sekundärmi­gration das wichtigste zu lösende Problem in der Flüchtling­skrise sei. Gelegenhei­t für ihn, eine Kostprobe seines trockenen Humors zu geben: „Ich glaube, dass wir da eine pragmatisc­he Lösung für die fünf Leute gefunden haben, um die es da pro Tag geht.“

Scholz hat sich hinter Parteichef­in Andrea Nahles als einflussre­iche Nummer zwei in der Regierung eine gute Ausgangspo­sition für die nächste SPD-Kanzlerkan­didatur verschafft. Er nutzt nun auch die Haushaltsp­olitik, um zu zeigen, dass noch mehr als diese in ihm steckt. Die Menschen seien verunsiche­rt, darauf müsse der Staat eine Antwort haben. Die sieht Scholz darin, den Bürgern stabile Renten zu garantiere­n – nicht nur bis 2024, sondern auch weit darüber hinaus. Dafür will er im Haushalt viel mehr Geld bereitstel­len. „Wenn wir keine Trumps in Deutschlan­d haben wollen, dann müssen wir etwas dafür tun“, sagt er mit Blick auf die langfristi­ge Renten-Stabilisie­rung. Olaf Scholz (SPD)

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