Wohin rollst du, Äpfelchen . . .
Unten hielten rote Kavalleristen am Ufer eines Tümpels, drei von ihnen waren abgesessen und schlugen mit ihren Gewehrkolben ein Loch in die Eisdecke, um die Pferde tränken zu können. Ihr Kommandant hielt abseits von ihnen, er schien auf das ferne Geschützfeuer zu horchen.
Graf Gagarin mahnte zum Aufbruch. Es ging den Hügel hinab und dann weiter in dem tief eingeschnittenen Bett eines vereisten Baches. Lange Zeit hindurch führte sie der Weg durch flaches, mit dichtem Buschwerk bewachsenes Land. Einmal schien Graf Gagarin irregegangen zu sein. Er zog den Kompass und die Karte zurate, bog scharf nach links ab und fand den richtigen Weg.
Gegen neun Uhr morgens blieb er stehen und wies auf die Telegraphenstangen und auf ein zerschossenes Wärterhäuschen.
„Wir haben die Bahnlinie überschritten“, sagte er. „Eine Viertelstunde noch, und wir sind in Sicherheit.“
Der Nebel war verschwunden, und vor ihren Augen lag das Ziel ihrer Wanderung, der Wald von Berdiczew.
„Eine Viertelstunde noch“, fuhr Graf Gagarin fort. „Aber ich wollte, wir hätten dieses letzte Stück schon hinter uns. Der Wind hat den Nebel vertrieben, das ist nicht gut. Wenn drüben am Waldrand eine Patrouille streift, kann sie uns auf tausend Schritte weit sehen, wir aber sehen sie nicht. Nun, hinüber müssen wir, und da wir nicht fliegen können wie die Dohlen, werden wir laufen wie die Hasen.Vorher aber will ich mich ein wenig umsehen.“
Er steckte das Fernglas in die Tasche und kletterte an dem Stamm einer ein wenig schief gewachsenen Föhre empor, um das Terrain zu rekognoszieren.Vom Norden her hörte man noch immer schwaches Geschützfeuer und aus geringerer Entfernung das Ticken eines Maschinengewehrs. Die Zweige ächzten und schwankten, Schnee rieselte herab, eine Krähe umkreiste schreiend den Baum.
Plötzlich fiel vom Wald her ein Schuss. Erschrocken fuhr Vittorin auf, doch Graf Gagarin blieb oben auf der Föhre in der Haltung eines Spähenden und Horchenden, er hielt das Fernglas an die Augen und rührte sich nicht. Minuten vergingen. Dann ließ sich der russische Offizier hinab, langsam und vorsichtig von Ast zu Ast greifend. Unten angelangt blieb er an den Stamm der Föhre gelehnt stehen.
„Es ist Zeit, Abschied zu nehmen“, sagte er. „Sie müssen nun selbst auf sich achten. Nehmen Sie den Kompass und die Karte. Wenn Sie drüben auf einen Posten stoßen, so ge- ben Sie ihm irgendein Papierchen zu lesen, und während er liest, schlagen Sie ihn nieder. Sind es aber mehrere –“
„Sie gehen nicht mit mir?“unterbrach ihn Vittorin.
„Ach nein, wozu denn. Ich will aufrichtig zu Ihnen reden. Es ist eine Schande, ich weiß es, aber es ist nun einmal so: ich habe Furcht.“Vittorin starrte ihn wortlos an. „Sie glauben mir nicht“, fuhr Graf Gagarin mit leiser Stimme fort. „Und ich rede doch zu Ihnen aufrichtig wie zu Gott. Wie sollte ich denn nicht Furcht haben, da ich doch das Leben liebe. Sie aber haben eine Pflicht zu erfüllen, eine große Aufgabe wartet Ihrer – so sagten Sie doch. Sie müssen hinüber. Eilen Sie, keine Zeit dürfen Sie verlieren, sonst wird es zu spät.“
„Und Sie bleiben hier?“
ERPELINO