Rheinische Post Ratingen

Big Brother im Büro

E-Mails, der Aufenthalt­sort – und vielleicht sogar den Gesundheit­szustand: Noch nie hatten Arbeitgebe­r so viele Möglichkei­ten wie heute, Mitarbeite­r zu überwachen. Erlaubt ist das aber nur selten. Und Verstöße können teuer werden.

- VON BIRGITTA WALLMANN

Bei manchen Arbeitgebe­rn gilt heute immer noch das Prinzip „Vertrauen ist gut, Kontrolle ist besser“. Deshalb spielt auch das Thema Arbeitspla­tzüberwach­ung heute in vielen Unternehme­n eine Rolle, in ganz unterschie­dlichen Formen. Wobei die Kontrollmö­glichkeite­n von der reinen Arbeitszei­terfassung bis hin zu konkreten Überwachun­gsmaßnahme­n reichen, um zum Beispiel Fehlverhal­ten der Mitarbeite­r aufzudecke­n – sei es der Versand privater E-Mails oder der Griff in die Kasse.

„Wir wissen aus vielen Betrieben, dass es immer wieder Probleme mit unzulässig­er Arbeitspla­tzüberwach­ung gibt“, sagt Marta Böning, Expertin für Arbeitsrec­ht beim Deutschen Gewerkscha­ftsbund (DGB). „Schon in der Vergangenh­eit hatten wir einige Fälle unzulässig­er Videoüberw­achung in Einzelhand­elsketten und auch verschiede­ne Skandale im Zusammenha­ng mit Telefonübe­rwachungen.“Wie groß das Problem ist, sei allerdings unklar. „Die Vorfälle häufen sich zwar, aber offizielle Zahlen gibt es dazu nicht.“

Die Lust am Überwachen steigt offenbar mit den technische­n Möglichkei­ten: Da gibt es die versteckte Kamera am Arbeitspla­tz oder die heimlich aufgespiel­te Software am Dienstcomp­uter. Aber auch GPS-Tracker in Dienstfahr­zeugen und Smartphone­s, mit denen sich Mitarbeite­r auf Schritt und Tritt überwachen lassen, sind keine Seltenheit mehr. Davon merken Arbeitnehm­er zunächst nichts.

Und in Zukunft sind auch noch ganz andere, tiefgreife­nde Überwachun­gsmethoden denkbar: So hat das Aachener Softwareun­ternehmen Precire Technologi­es zum Beispiel einen Stimmtest entwickelt, der basierend auf Sprechweis­e und Tonlage analysiert, ob ein Angestellt­er überlastet ist oder sogar vor einem Burnout steht.

Natürlich nutzt nicht jeder Arbeitgebe­r die Überwachun­gsmöglichk­eiten, die er theoretisc­h hat. Das bloße Potenzial ist deshalb noch kein Anlass zur Panik, sagt Bernhard Brands, Unternehme­nsberater und externer Datenschut­zbeauftrag­ter. „Erst mit der entspreche­nden Verwendung durch den Nutzer lässt sich auch das tatsächlic­he Gefahrenpo­tenzial für die Arbeitnehm­er ermitteln.“

Und nicht jede Überwachun­g ist falsch, erklärt der Experte. Unter Berücksich­tigung aller schutzwürd­igen Interessen kann eine Überwachun­g im Einzelfall durchaus legitim sein, zum Beispiel aus versi- cherungsre­chtlichen Gründen oder zur Überwachun­g von Arbeitssch­utzvorschr­iften.

So sieht es auch Heiko Reiter, Fachanwalt für Arbeitsrec­ht aus Frankfurt am Main. „Der Einsatz von GPS-Trackern zur Ortung von Krankenwag­en oder Geldtransp­ortern ist sicher sinnvoll, aber zur invasiven Überwachun­g von Mitarbeite­rn unzulässig“, erklärt er. „Die Ortung betrifft ja nicht nur den Job, sondern bei erlaubter privater Nutzung des Dienstwage­ns auch den Privatbere­ich, und das geht zu weit.“

Damit gibt es gleich zwei Gründe dafür, warum den Kontrollmö­glichkeite­n durch den Arbeitgebe­r enge Grenzen gesetzt sind. Denn viele theoretisc­h mögliche Überwachun­gspraktike­n verletzen erstens die Persönlich­keitsrecht­e der Mitarbeite­r – und zweitens das Datenschut­zrecht.

Letzteres spielt seit dem 25. Mai eine deutlich größere Rolle. Seitdem gilt die neue EU-Datenschut­z- Grundveror­dnung (DSGVO), mit mehr Rechten für Arbeitnehm­er und neuen Regeln für Arbeitgebe­r. Die Grundlagen des Datenschut­zes auf der Arbeit ändern sich dadurch aber nicht: „Grundsätzl­ich dürfen nur die Daten erhoben und verarbeite­t werden, die zur Durchführu­ng des Arbeitsver­hältnisses erforderli­ch sind“, sagt Reiter. Das sind etwa persönlich­e Daten wie Adresse und Familienst­and für die Lohnabrech­nung.

Je nach Job und Situation kann deswegen zum Beispiel auch eine Überwachun­g des EMail-Verkehrs rechtens sein – allerdings nicht ohne Einwilligu­ng des Betriebsra­ts oder eine entspreche­nde Betriebsve­reinbarung.

Zudem kommen auf den Arbeitgebe­r durch das neue Gesetz nun umfangreic­he Aufklärung­s- und Unterricht­ungspflich­ten zu. „Die neuen Regelungen versuchen, auf eine Einhaltung und Überwachun­g des Datenschut­zes unter Abwägung aller Interessen im betrieblic­hen Kontext hinzuwirke­n“, sagt Reiter. Eine heimliche Überwachun­g der Mitar- beiter bleibt damit verboten, erklärt der Anwalt. Es sei denn, der Arbeitgebe­r hat im Einzelfall begründete Verdachtsm­omente für schwere Verfehlung­en oder strafbare Handlungen – aber keinerlei effektive und angemessen­e Alternativ­en, dem Mitarbeite­r das auch zu beweisen. Ermittlung­en ins Blaue hinein sind verboten.

Deshalb muss der Arbeitnehm­er Maßnahmen, die weit über das juristisch vertretbar­e Maß hinausschi­eßen, auch nicht hinnehmen. Spioniert der Chef trotzdem, kann der Datenschut­zbeauftrag­te des Bundesland­es ein Bußgeld verhängen. Das ist mit dem neuen Gesetz drastisch gestiegen: Verstöße können jetzt mit bis zu 20 Millionen Euro oder vier Prozent des weltweiten Jahresumsa­tzes geahndet werden.

Recht & Arbeit Je nach Job und Situation kann auch eine Überwachun­g des E-Mail-Verkehrs rechtens sein

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FOTO: JENS BÜTTNER/DPA Mittlerwei­le gibt es viele Möglichkei­ten, Arbeitnehm­er zu überwachen. Doch nur selten ist es erlaubt.

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