Rheinische Post Ratingen

„Ich war noch nie an einem Ort, an dem es richtig kalt ist“

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Drei Menschen, zwei Koffer und ein großer Traum: Cleo Wegener bricht heute amersten Feriensams­tag mit ihren Eltern zu einer Reise auf, die nicht nach sechs Wochen enden wird. Die 14-jährige Schülerin wird sieben Monate unterwegs sein, dabei einmal die Welt umrunden. Sie wird halb Kanada durchfahre­n, Taiwan undVietnam entdecken, auf Hawaii Weihnachte­n feiern, in der Südsee baden und in Südafrika herumreise­n. Und das sind noch längst nicht alle Stationen.

Cleo hat gerade die neunte Klasse amMeerbusc­herMataré-Gymnasium abgeschlos­sen und würde nach den Ferien in die Oberstufe wechseln. Vieler ihrer Mitschüler gehen ebenfalls insAusland: Sie besuchen die amerikanis­che High School oder ein Internat in England.„Wirhatten auch in Erwägung gezogen, dasswir mit Cleo in die USA gehen und sie dort eine Schule besucht“, erzählt Melanie Wegener. Aber der Plan scheiterte an Visa-Bestimmung­en. Und wäre es nicht auchviel schöner, gemeinsam die Welt zu erkunden?

Die Wegeners hätten eigentlich selbst nicht gedacht, dass derTraum einer solch langen Reise Wirklichke­it werden würde. Die Mutter war die treibende Kraft und dachte eigentlich, dass ihr Plan an der deutschen Bürokratie scheitern würde. Schließlic­h unterliegt Cleo noch der Schulpflic­ht. Umso erstaunter war Melanie Wegener dann, als Schulleite­r Christian Gutjahr-Dölls das Vorhaben unterstütz­te. „Es liegt im Entscheidu­ngsspielra­um des Schulleite­rs, einen Schüler länger zu beurlauben“, erklärt sie. Cleo sei auch eine sehr gute Schülerin, pünktlich zumStart des zweiten Halbjahres sei sie wieder da.

Ganz ohne Schule sind diese sieben Monate, die vor demMädchen liegen, aber nicht. Die Eltern haben sichzumHom­eschooling verpflicht­et, Lehrer stellten Lernmateri­al für denUnterri­chtsstoff inMathe, Französisc­h und Spanisch zusammen. Die Eltern haben mit der Tochter vereinbart, dass sie immer samstags vier Stunden lernt. In Bali verbringt die Familie vier Wochen, dort hat sie ein Haus gemietet – auch um sich vom Reisestres­s einmal zu erholen und ein wenig durchzuatm­en. Dort bekommt Cleo auch zwei Wochen Besuch von einer Schulfreun­din. „Dann kann ichmit ihr zusammen ein bisschen Mathe machen“, sagt sie.Wochenlang nicht gesehen, zwei Teenager auf Bali – und dann wollen sie Mathe lernen? Meint sie das ernst? Cleo muss lachen. „Vielleicht­wird das auch nix“, gibt siezu.

Eigentlich ist sie in einem Alter, in dem Teenager sich von den Eltern abkapseln. Cleo geht mit ihnen auf Tour. SiebenMona­te, fast nur sie drei, vermutlich wenig Kontakt zu Gleichaltr­igen. „Wir verstehen uns echt gut“, sagt sie. Doch ein bisschen Angst hat sie schon – so ganz ohne ihre Freundinne­n. „Aber es gibt ja Handys, ich kann mit ihnen telefonier­en.“Und wenn sie sich mit ihren Eltern mal anzickt – was ganz sicher vorkommen wird, wie alle drei versichern – „dann kann ich nicht einfach weggehen, sondern muss dableiben“, sagt sie.

Für die Familie ist die Reise eine Zäsur. Vater Ralf (57) ist selbststän­dig und nimmt sich eine Auszeit. Das Zuhause haben sie aufgegeben, das bisherige Leben in Kisten gepackt. Ihr älterer Sohn Leon (19) studiert schon und wird die Familie unterwegs zwei Mal besuchen. Zu dritt geht es mit zwei Koffern auf Reisen. Mit wie wenig sie auskommen, beziehungs­weise was sie überhaupt benötigen, sind Fragen, auf die sie hoffen, auch eine Antwort zu finden. Unterwegs werden sie in Pensionen oder Airbnb-Wohnungen leben.Wie viel dasAbenteu­er kostenwird, wollen dieWegener­s CleoWegene­r Schülerin nicht sagen. Einige Ziele seien sehr teuer, wie eine Kreuzfahrt nach Alaska, andere Stationen vor allem in Südostasie­n seien günstiger. Worauf mussman alsWeltrei­sender unbedingt achten? Alle empfohlene­n Impfungen abzudecken, auf eine Auslandskr­ankenversi­cherung, die lange genug läuft und allumfasse­nd ist, rät Ralf Wegener. Scans oder Kopien allerwicht­igen Papiere bei sich zu haben, beziehungs­weise auf einen erreichbar­en Server zu laden. Jemanden zu organisier­en, der zu Hause die Post verwaltet und laufende Kosten für Versicheru­ngen und Co. betreut. Für einige Länder benötigen sie auch Cleos beglaubigt­e Geburtsurk­unde.

Rund acht Monate hat Melanie Wegener die Tour geplant. Als Ziele durfte sich jeder etwas wünschen. Ralf Wegener hat sich für die Südsee entschiede­n, also geht es auf die Fidji-Inseln. Cleo hat für Alaska gestimmt.„Ich war noch nie an einem Ort, an dem es richtig kalt ist“, sagt die 14-Jährige. Nun ist es zwar auch in Alaska gerade Sommer und im Schnitt 15 Grad warm, aber die Familie hat für Gletschert­ouren trotzdemDa­unenjacken imGepäck. Und welches Ziel war Melanie Wegeners Traumziel? „Der Rest“, antwortet ihr Mann lachend an ihrer Stelle.

Am 27. November wird Cleo 15. An dem Tag befindet sich die Familie laut Reiseplan gerade auf der Fähre zwischen der Nord- und Südinsel Neuseeland­s. „Das wird dann wohl eher keine große Party“, sagt die Teenagerin. Auf sie wirkt die Reise nochwie ein Film. Irgendwie unglaublic­h. Dass nach zwei oder drei Wochen die Reise nicht vorbei ist, sondernimm­erweiter geht. Fast bis ans Ende der Welt.

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