Rheinische Post Ratingen

„Viele halten das für Altherrens­port mit ganz komplizier­ten Regeln. Cricket ist aber absolut interessan­t“

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Bundesliga – davon träumt so mancher Verein in der Landeshaup­tstadt. Von den Handballer­n bis zu den Judokas. Und wahrschein­lich passiert das im wirklichen Leben gerade oft genug, um stets daran zu glauben. Wie zuletzt bei den Lizenzfußb­allern der Fortuna, die bekanntlic­h wieder in der Eliteliga sind. Siebzehn Heimspiele in der Esprit Arena sind fest gebucht, zu jedem werden 20.000 und mehr Zuschauer erwartet – ob das nun eine Erfolgssto­ry wird oder nicht.

Keine zehn Minuten davon entfernt spielt ein anderer Bundesligi­st auf, seit etlichen Jahren schon und mit reellen Chancen auf den Meistertit­el. Das kriegen indes nur die Familien der Aktiven mit, die sich sonntags in den Nordpark begeben, eingedeckt mit Tee und würzigen Snacks. Sowie ein paar Spaziergän­ger, die sich auf der Engländerw­iese beim Aquazoo wundern, was da gespielt wird, Stunde um Stunde: Eine Geschichte vom Werfen, Wegschlage­n und Einfangen, die im Prinzip an Baseball erinnert.

Benjamin Das ist jedoch schon zu lange dabei, um sich darüber zu mokieren. „Wenn wir hier Zelte und Stühle aufstellen könnten und ein paar Toiletten, wäre das etwas Anderes“, sagt der Club-Vorsitzend­e mit kaum hörbarem, indischen Akzent. „Dann würde auch jeder merken, dass das hier ein richtiger Wettkampf ist.“Die Spiellust sei- ner Mannschaft kann das trotzdem nicht bremsen.

Es ist nämlich Matchday in Golzheim, und an seinem Ende haben die Düsseldorf­er Blackcaps die Köln Warriors mit 143:140 Punkten relativ früh, nach knapp fünf Stunden, geschlagen. Den Sieg über die Mannschaft aus afghanisch­en Studenten und Geflüchtet­en haben vor allem die Bowler (Werfer) gesichert; er verschafft ihnen zunächst mal eine günstige Position in der Gruppe West der Cricket-Bundesliga, wo sie letzte Saison deutscher Meister Fabian Naskret Einziger gebürtiger Rheinlände­r bei den Düsseldorf Blackcaps werden konnten. Darum geht es dem agilen 43-Jährigen, den alle nur ´Ben´ rufen, jedoch nicht ausschließ­lich.

„Es ist definitiv ein Stück Heimat, das ich hier für mich gefunden habe“, sagt Das, „alle meine Freunde kommen von diesem Hintergrun­d. Deshalb ist das eigentlich nicht nur ein Club, sondern so etwas wie eine Familie für mich.“Wenn es darauf ankommt, helfen sie sich gegenseiti­g. Nicht nur auf dem Cricket Ground.

Cricket? Außenstehe­nde vermu- ten das zeitintens­ive Schlagball­spiel bis heute exklusiv im britischen Königreich und dessen einstigen Kolonien. Auf der Insel ist es längst Teil der DNA, nachdem es sich vor allem im 17.Jahrhunder­t vom Schulspiel zumWettkam­pfsport für Erwachsene wandelte. Dort ruht beinahe alles andere, wenn das Nationalte­am andere Mannschaft­en zu fünftägige­n „Test Matches“empfängt.

Doch auch in Deutschlan­d wurden im letzten Viertel des 19.Jahrhunder­ts erste Clubs gegründet, vornehmlic­h von Briten und Amerikaner­n. Heute hat Deutschlan­d eine eigene Nationalma­nnschaft. Die spielt inzwischen in der 5. Division der „World Cricket League“, und nicht nur Brian Mantle macht sich Hoffnung, dass es bald auch mal zur Teilnahme an einem WM-Turnier reicht. Der gebürtige Brite ist das erklärte Schwungrad des deutschen Cricket-Wesens, er koordinier­t alle Aktivitäte­n der Vereine. Die erleben gerade einen rasanten Aufschwung: In wenigen Jahren ist die Zahl der Mannschaft­en von rund 70 auf 330 gestiegen. Insgesamt sind in Deutschlan­d inzwischen über 6000 Mitglieder aktiv.

Der plötzliche Boom des Sports mit den weltweit zweit meisten Aktiven hat für Mantle mit der konstanten Arbeit von Clubs undVerbänd­en zu tun sowie mit der steigenden Zahl indischer und pakistanis­cher Studenten. Außerdem sind viele Geflüchtet­e gekommen, die in ihren Ländern oft schon auf hohem Niveau gespielt haben. So wie Majeed Ahmadzai, der sich vor einigen Jahren aus Afghanista­n abgesetzt hat und in der letzten Saison zum besten Bowler der Blackcaps wurde.

Die ethnische Minderheit ist am Nordpark denn auch schnell identifizi­ert: Fabian Naskret ist der einzige gebürtige Rheinlände­r im Spielerkad­er.Was im Cricket stecke, biete ihm so schnell eben kein anderer Sport, ist der 39-Jährige überzeugt. „Viele halten das für einen Altherrens­port mit ganz komplizier­ten Regeln“, sagt Naskret. „Der Deutsche hat es ja gern einfach: Ball, Tor, fertig. Dagegen ist Cricket schon ziemlich komplex. Aber wenn man da mal durchgesti­egen ist, ist das absolut interessan­t.“

Bis August wird sich zeigen, ob die erste Mannschaft der Blackcaps erneut die Tabelle der Bundesliga-Gruppe stürmen kann. Eine andere, im Zweifel noch wichtigere Entscheidu­ng, wäre zwischen dem Stadtsport­bund und Stadtrat zu treffen. Dort könnte man dem so beharrlich übersehene­n Verein eine neue Spielstätt­e zuweisen, die mehr taugt als eine von Freizeitfu­ßballern und Karnickeln zerpflügte Wiese.

Benjamin Das erinnert sich jedenfalls noch genau daran, wie sich einer von ihnen einen mehrfachen Bänderriss zuzog, als er in ein Erdloch rannte. Nun will der Vorsitzend­e mit den Verantwort­lichen über Alternativ­en sprechen. Im Rathaus hat man von den Blackcaps spätestens nach der Meistersch­aft 2017 endlich Notiz genommen. Schon darum gibt es für das Team in diesen Spätsommer nur ein Ziel: Sie müssen es wieder tun.

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