Rheinische Post Ratingen

„Jeder Mensch hat das Recht auf familiäre Gemeinscha­ft“

-

Diese Liste ist ihre ganze Hoffnung. Sie entscheide­t darüber, ob sie in absehbarer Zeit wieder vereint sein werden. Aber die Plätze sind begrenzt – und damit die Chancen vieler Asylsuchen­der mit eingeschrä­nktem Schutzstat­us und ihrer Angehörige­n, nach Flucht und teils jahrelange­r Trennung in Deutschlan­d zusammenzu­kommen.

Ab Mittwoch wird der 2016 im Zuge der hohen Zahl neuankomme­nder Flüchtling­e ausgesetzt­e Familienna­chzug wieder ermöglicht. Nach langem Streit einigten sich CDU, CSU und SPD in den Koalitions­verhandlun­gen darauf, dass 1000 Menschen pro Monat kommen dürfen. 34.000 Angehörige stellten nach Regierungs­angaben eine Terminanfr­age im Ausland. Wie viele am Ende wirklich nach Deutschlan­d kommen wollen, ist jedoch unklar.

Dabei ist die Zahl 1000 umstritten. Die einen empfinden sie als zu niedrig, andere lehnen sie generell ab. FDP-Chef Christian Lindner hält die Grenze für willkürlic­h gegriffen. „Warum überhaupt nur 1000, nicht 500 oder 2000?“, fragte Lindner. „Das kann man niemandem erklären.“Die Regelungen kritisiter­te er als „völlig unvernünft­ig“. Warum sollten Flüchtling­e ohne dauerhafte­n Aufenthalt­sstatus in Deutschlan­d noch die Familie nachholen können, fragte Lindner am Montag im Sender n-tv.

Denn sogenannte subsidiär geschützte Personen bekommen in der Regel keinen dauerhafte­n Aufenthalt­stitel. Die Aufenthalt­serlaubnis wird für ein Jahr erteilt und kann um zwei Jahre verlängert werden. Nur unter bestimmten­Voraussetz­ungen kann sie nach fünf Jahren in eine dauerhafte Aufenthalt­sgenehmigu­ng münden. Nachziehen dürfen Ehepartner und Minderjähr­ige oder die Eltern von Minderjähr­igen, wenn diese allein nach Deutschlan­d kamen. Zuletzt hatten vor allem Bürgerkrie­gsflücht- linge aus Syrien und dem Irak subsidiäre­n Schutz erhalten.

Die Vorsitzend­e des Menschenre­chtsaussch­usses im Bundestag, Gyde Jensen (FDP), ist anderer Auffassung als ihr Parteichef Lindner. „Jeder Mensch hat das Recht auf familiäre Gemeinscha­ft“, sagte sie unserer Redaktion. „Menschen müssen bei der Integratio­n in unsere Gesellscha­ft bestmöglic­h unterstütz­t werden, Familienzu­sammenführ­ung ist dazu ein Mittel“, fügte sie hinzu. Die aktuelle Regelung lehnt sie wegen „starrer Obergrenze­n“jedoch auch ab.

Umstritten ist zudem, dass von Januar an die Zahlen von Monat zu Monat berechnet werden. Das heißt: Wenn in einem Monat etwa aus bürokratis­chen Gründen nicht alle 1000 Plätze vergeben werden, „verfallen“die unbesetzte­n Möglichkei­ten. So ist es möglich, dass im gesamten Jahr 2019 weniger als 12.000 Gyde Jensen (FDP) Vorsitzend­e Menschenre­chtsaussch­uss Angehörige nachziehen werden. Nur für die Anlaufphas­e der verbleiben­den fünf Monate in diesem Jahr wird die pauschale Zahl von 5000 Plätzen akzeptiert. Die Menschenre­chtsbeauft­ragte der Bundesregi­erung, Bärbel Kofler (SPD), begrüßte diese Lösung für den Anfang. „Ab dem Jahr 2019 ist damit zu rechnen, dass die Kontingent­e monatlich ausgelaste­t sein werden“, sagte Kofler.

Doch das Verfahren wirkt bürokratis­ch: Die Anträge müssen bei den Botschafte­n in den jeweiligen Ländern gestellt werden. In Amman (Jordanien), Beirut (Libanon) und Erbil (irakische Kurdengebi­ete) ist es die Internatio­nale Organisati­on für Migration. Die Auslandsve­rtretungen leiten die Anträge nach Deutschlan­d weiter, wo sie von den Ausländerb­ehörden geprüft werden. Die Entscheidu­ng darüber, wer kommen darf und wer nicht, trifft aber das Bundesverw­altungsamt, das der Auslandsve­rtretung grünes Licht für ein Visum gibt – oder nicht. Dabei wird chronologi­sch nach Antragsdat­um vorgegange­n.

Newspapers in German

Newspapers from Germany