Rheinische Post Ratingen

Der Kapitän kennt die Strecke genau und kann auch schon mal „freihändig Fahrrad fahren auf dem Wasser“

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Es ist noch ruhig an diesem Sonntagmor­gen im niederländ­ischen Klosterdor­f Steyl, nur wenige Kilometer hinter der deutschen Grenze gelegen. Die Kirchtürme des Missionsha­uses St. Michael sind von weitem zu sehen. Nur vereinzelt flanieren Fußgänger durch den Ort, ein paar Radler rollen am Ufer der Maas entlang. Dieser Fahrradweg, genauer eine Stelle zwischen Veerweg und Maashoek, unterhalb des Botanische­n Gartens Jochumhof, ist der Startpunkt unserer Tagestour. Wer einen festen Anlegesteg sucht, liegt allerdings falsch, denn der Maashopper braucht nur ein Schild, auf dem die Fahrzeiten ausgewiese­n sind, als Orientieru­ngspunkt.

Warum, das sehen wir, als das Schiff jetzt von Süden herankommt: Wie Kapitän Onno Ludin (46) auch später noch einmal erklärt, fahren für sicheren Stand vorne und hinten am Schiff zwei Pfähle in den Flussboden, danach schwenkt die 14 Meter lange Gangway ans Ufer. So spart er das aufwendige Festmachen mit Leinen – und jede Menge Zeit. Außerdem kann er nun seine Gäste persönlich an Bord willkommen heißen: „Welkom aan boord!“

Und das sind einige, denn wie aus dem Nichts hat sich eine Menschentr­aube um den Haltepunkt gebildet: Familien, Fußgänger, Radfahrer – alle wollen mit. Onno Ludin und seine Kollegin Baudien Dekker haben alle Hände voll zu tun, Tickets auszugeben, Radlern die Fahrrad-Abstellplä­tze im Schiffsinn­eren zuzuweisen und innerhalb von zehn Minuten wieder abzulegen. Aber das läuft wie am Schnürchen, schließlic­h fährt der Kapitän den Maashopper seit 2005. Sprachprob­leme gibt es keine: Onno Ludin und seine Besatzung sprechen und verstehen sehr gut Deutsch, haben sich eingestell­t auf die Gäste aus dem Nachbarlan­d, die immerhin gut die Hälfte der Gesamtpass­agierzahl ausmachen.

Nachdem auch wir unsere Fahrräder geparkt haben, wird bei dem schönen Wetter ein Platz auf dem vorderen Außendeck gesucht. Auch auf dem Oberdeck haben sich Passagiere eingefunde­n, um sich den Fahrtwind um die Nase wehen zu lassen. Zugegeben: Bei einer Geschwindi­gkeit von 15 Stundenkil­ometern ist „Wind“nicht ganz der korrekte Ausdruck, aber eine leichte Brise erfrischt bei sommerlich­en Temperatur­en. In einer halben Stunde schippert Onno Ludin den Maashopper jetzt zur ersten Station: Bis Venlo geht es durch viel Grün auf beiden Seiten des Flusses. Dann taucht schon am rechten Ufer die Silhouette der Stadt auf, moderne Wohnhäuser an der Maas, die schön angelegte und modernisie­rte Havenkade und Maaskade mit einladende­n Cafés und Restaurant­s.

Wieder geht es schnell: Schiff stoppen (Haltepunkt wenige Minuten zu Fuß vom Zentrum entfernt), Pfähle ausfahren, Gangway schwenken, Passagiere raus und rein. Wer mag, kann jetzt bis zur Rückkehr des Maashopper­s in zwei Stunden die Innenstadt unsicher machen und auch am Sonntag einkaufen.

Wir fahren weiter – eine Stunde bis Arcen. Wenn das überhaupt möglich ist, wird es, nachdem wir den Industrieh­afen vonVenlo hinter uns gelassen haben, noch gemütliche­r, die Umgebung noch ländlicher, und der Blick hat Platz zu schweifen. Grüne Wiesen wogen im Wind, Kühe stehen am Ufer, sogar teilweise im Wasser, Angler haben ihre Leinen ausgeworfe­n. Die Maas ist tatsächlic­h so sauber, dass man die Fische verzehren kann, erklärt Kapitän Onno. Der hat jetzt Zeit für einen kurzen Plausch, lässt den Autopilote­n arbeiten. Grob geschätzt 7000 Mal ist er die Strecke inzwischen gefahren, da kann man auch schon mal „freihändig Fahrrad fahren auf dem Wasser“, ohne natürlich den Verkehr ganz aus dem Blick zu lassen. Dieser ist auch heute rege, denn neben den Frachtschi­ffen und den Fähren, die Fußgänger und Radler vom einen Ufer der Maas zum anderen befördern, sind auch viele Freizeitka­pitäne unterwegs.

Zweimal pro Fahrtag bedient Onno Ludin die Runde Steyl-Venlo-Arcen und zurück, ist zwischen 11 und 17 Uhr unterwegs.„Manche Leute fahren nur eine kurze Strecke, andere bleiben drei Stunden für die ganze Rundfahrt an Bord“, erzählt er. Und die wollen natürlich auch versorgt werden, so wie zum Beispiel heute die Gruppe belgischer Hobbygärtn­er, die einen Wochenenda­usflug zu Gärten und Parks in der niederländ­ischen Provinz Limburg geplant hat. Bei kräftiger Lauchsuppe mit belegten Brötchen stärken sie sich für den Besuch in den Arcener Schlossgär­ten. Aber auch kühle Getränke hat der Maashopper an Bord sowie diverse andere Snacks. Besonders beliebt sind im Sommer die Pfannkuche­nfahrten ab Steyl – zwei Stunden geht es dann am frühen Abend die Maas entlang bis zum Industrieh­afen Venlo und zurück: Tagessuppe, Pfannkuche­n und Eis inklusive.

Doch genug geredet, die Anlegestel­le in Arcen, direkt unterhalb des historisch­en Ortskerns, ist in Sicht. Wer später mit dem Maashopper nach Steyl zurückfahr­en möchte, hätte jetzt drei Stunden Zeit, das hübsche ehemalige Festungsst­ädtchen zu erkunden, bis das Schiff wieder zurück ist.Wir verabschie­den uns allerdings vom Kapitän und nehmen unsere Fahrräder wieder in Empfang. Onno Ludin gibt uns noch ein paar Tipps mit auf den Weg: „Bei der Hertog-Jan-Brauerei gibt es das Bier von hier und einen gemütliche­n Biergarten. Und natürlich dürft ihr eines der besten Eis‘ der Niederland­e nicht verpassen, gleich hier am Anleger beim Ijssalon Clevers.“Wird gemacht, Kapitän – in dieser Reihenfolg­e.

Mit den Rädern gleich an der Maas entlang Richtung Norden ist in ein paar Minuten hinter dem Ort besagte Brauerei erreicht, wo man sich erst mit etwas Herzhaftem stärken kann, bevor das wirklich sehr leckere Eis den süßen Abschluss bildet. Für den Rückweg nach Steyl folgen wir mit den Rädern dem ausgeklüge­lten niederländ­ischen Knotenpunk­tsystem. Die Route haben wir vorab im Internet geplant, sie führt vorbei an den Schlossgär­ten Arcen überVelden am Maasufer entlang und durch nette Dörfchen vorbei an der Venloer Innenstadt, bevor wir nach etwa 20 Kilometern wieder den Ausgangspu­nkt in Steyl erreichen. Den Maashopper haben wir unterwegs vom Ufer aus auch wiedergese­hen – und schon Pläne für die nächste Tour geschmiede­t.

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