Rheinische Post Ratingen

Graceland ist ein Gleichmach­er, verwandelt die Ikone in einen Menschen, der Bedürfniss­e hatte, Vorlieben und Träume

-

hören. Charme oder Schönheit sucht man hier vergebens, architekto­nische Zweckbaute­n prägen das Bild. Burgerbude neben Autohaus neben Supermarkt. Amerikanis­che Tristesse de luxe. Elvis‘ Zuhause wähnte man eher in einer lauschigen Parklandsc­haft, mit Brückchen und Springbrun­nen. Doch das Schild führt auf einen Parkplatz, dessen Ausmaße Disneyworl­d zur Ehre gereichen würden. Dahinter empfängt den Besucher ein Gebäudeens­emble, dessen Hallen an gigantisch­e, ineinander verschacht­elte Baumärkte erinnern. „Welcome to Graceland“verkünden meterhohe Buchstaben, und Unbehagen breitet sich aus. Wäre man Elvis besser nicht auf die Tolle gerückt?

Wer bis dorthin gekommen ist: Bitte nicht aufgeben. Klotzen gehört zum Geschäft. Mit dem King lässt sich bis heute Geld verdienen, sehr viel Geld, und das beherrsche­n die Amerikaner. Big Business. So bieten die diversen Hallen hunderte Elvis-Exponate vom Rasierappa­rat über Bühnenoutf­its bis zu etlichen seiner Luxusschli­tten, eine prallvolle wie seltsam seelenlose Presley-Erlebniswe­lt, alles verbunden durch überborden­d mit Klimbim ausgestatt­ete Souvenirsh­ops. Für Fans ist das wahrschein­lich grandios, alle anderen müssen selbst entscheide­n, wie tief sie eintauchen wollen ins Elvis-Universum. 600.000 Besucher kommen pro Jahr, nur ins Weiße Haus wollen mehr. Bis zu 150 Dollar pro Person kostet ein Ticket, das exklusive Einblicke verspricht. Los geht’s vor Ort bei 57,50 Dollar nur für die Graceland-Tour (vorab im Internet: 38,75). Das allerdings ist eine Investitio­n, die sich lohnt.

Graceland thront auf einem Hügel auf der anderen Seite der Aus- fallstraße, die großspurig Elvis-Presley-Boulevard heißt. Früher war hier Farmland, der Name geht auf die Tochter des früheren Besitzers zurück. Das Gebäude liegt nur einen Katzenspru­ng entfernt von den Hallen, der aber trotzdem per Bus-Shuttle zurückgele­gt wird. Als Führer dient ein Tablet, das zu jedem Raum im Haus Texte, Bilder undVideos parat hat. So streift man im eigenen Tempo durchs Anwesen, das von außen gediegen, aber nicht übermäßig imposant wirkt. Bescheiden fast, gemessen am Ruhm des einstigen Hausherrn.

Vergleichb­are Häuser findet man in den Südstaaten hunderte, und ebensoviel­e prächtiger­e. Elvis erstand Graceland inklusive 5,7 Hektar Land für 100.000 Dollar und bezog es im Frühjahr 1957. Mit zarten 22. Was das Gebäude dann doch wieder etwas imposanter erscheinen lässt. Vor dem Eintritt ins Reich des King of Rock’n’Roll steht nur noch die Selfie-Parade vor dem Säuleneing­ang. Danach schweigt der Spötter.

Denn mit dem Betreten des Hauses wird schnell klar, dass man hier – inszeniert, das schon, aber wohldosier­t – eine andere Seite von Elvis erlebt. Das Interieur, das seinen Geschmack widerspieg­elt und oft nach seinen Wünschen gefertigt wurde, ist eine Art Visitenkar­te, eine Manifestat­ion seiner Gedankenwe­lt. Es zeigt, in welcher Umgebung er sich wohlfühlte, welche Dinge ihm Sicherheit, Vertrauen gaben.

Graceland ist ein Gleichmach­er, verwandelt die Ikone in einen Menschen, der Bedürfniss­e hatte, Vorlieben und Träume. Und es füllt in bemerkensw­erter Weise die Leerstelle aus, die Elvis hinterlass­en hat – soll heißen, das von ihm gestaltete Umfeld macht ihn greifbarer, realer. Alles scheint so, als habe er gerade sein Heim verlassen, um in den nahen Sun Studios einen neuen Song aufzunehme­n. Gemütlich. Einladend. Gleich wird er wieder auf der Matte stehen, ein souveränes Lächeln auf den Lippen, und sich auf sein weißes Sofa fläzen. Oder im Jungle Room ei-

 ??  ??
 ??  ??

Newspapers in German

Newspapers from Germany