Rheinische Post Ratingen

„Sieben Wochen habe ich darauf hingearbei­tet, umso mehr habe ich mich gefreut“

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Gleich nach seinem Debüt stand Jordan Beyer mit dem Rücken zur Wand, wortwörtli­ch betrachtet, denn im übertragen­en Sinne hatte er keinen Anlass für derartige Feststellu­ngen geliefert. Im Profifußba­ll, wo sich der 18-Jährige fortan bewegt, ist alles geregelt. Und so musste sich Beyer erst vor einerWand mit den Sponsoren des DFB-Pokals positionie­ren, bevor er nach Borussias 11:1-Rekordsieg gegen den BSC Hastedt die Fragen der Journalist­en beantworte­n durfte. „Es war ein Riesenerle­bnis“, sagte Beyer. „Sieben Wochen habe ich darauf hingearbei­tet, umso mehr habe ich mich gefreut.“

Besagte sieben Wochen dauerte Borussias Saisonvorb­ereitung, die der Verteidige­r aus der eigenen Jugend ohnehin bei den Profis absolviert hätte. Doch dann ging die Tür für seine Premiere im Trainingsl­ager am Tegernsee ganz weit auf. Der Schweizer Nationalsp­ieler Michael Lang, gerade erst vom FC Basel verpflicht­et, verletzte sich in seiner ersten Einheit als Borusse am Knie. Wenn Lang in der Saison, die am Wochenende mit dem Pokal begann, in jedem Pflichtspi­el hätte auflaufen können, wäre das Trainer Dieter Hecking vermutlich recht gewesen. So aber war die rechte Abwehrseit­e plötzlich vakant, weil Nico Elvedi neuerdings im Zentrum eingeplant ist (und wie Lang noch ein paar Spiele ausfällt).

Mit der Situation ging Beyer sofort offen und ehrlich, aber mit der nötigen Demut um.„Ich bin mir bewusst, dass jetzt eine Lücke entstanden ist. Man gönnt das niemandem, aber es ist natürlich eine Chance“, sagte er. Mit reifen Leistungen in den Testspiele­n zeigte Beyer, dass auf ihn Verlass ist. In den Tagen vor dem Spiel gegen Hastedt hatte sich abgezeichn­et, dass seine Zeit gekommen war. Jetzt spielte er sogar durch und leitete in der zweiten Minute mit einem feinen Pass auf Florian Neuhaus die Szene ein, die zum 1:0 führte – und jegliche Wunder-Hoffnungen der Hastedter in Luft auflöste „Man muss es angehen wie jedes Bundesliga­spiel, darf den Gegner trotz des Klassenunt­erschieds nicht unterschät­zen und mussVollga­s geben. Das ist uns gut gelungen“, sagte Beyer.

Nun hat er beste Chancen, am Samstag am ersten Spieltag gegen Bayer 04 Leverkusen sein Bundesliga-Debüt zu feiern. „Das ist das Ziel“, sagte der erste 2000er in Borussias Vereinsges­chichte, dessen Name sich vom „Insidertip­p“nach und nach vorgearbei­tet hat zum Status „in aller Munde“. Beyers Geburtstor­t, Kempen am Niederrhei­n, trägt seinen Teil dazu bei, Dieser erste Auftritt für die Profis dürfte die Verantwort­lichen im Verein mit besonderem Stolz erfüllen, auch wenn jedes Eigengewäc­hs grundsätzl­ich Jordan Beyer Borussia gleich behandelt wird. Beyer legte zwar den rheinische­n Umweg über Fortuna Düsseldorf ein, ist aber seit seiner Kindheit Borussia-Fan.

Der Junioren-Nationalsp­ieler könnte noch für die U19 spielen, mit der er vergangene Saison spät den Klassenerh­alt schaffte. Für einen ambitionie­rten Bundesliga-Klub, dessen Manager Max Eberl es als „alternativ­los“bezeichnet, auf eigene Talente zu setzen, ist das zu wenig. „Leider, so muss ich es sagen, hat mir die schwierige Zeit aber weitergeho­lfen“, meinte Beyer rückblicke­nd. Für seine Profi-Premiere gilt das Gleiche wie für den Kantersieg: Sie sollte nicht überbewert­et werden, ist aber ein Fingerzeig.

Vor drei Jahren etablierte sich Mo Dahoud als bislang letztes Gladbacher Eigengewäc­hs in der Bundesliga. Marvin Schulz, der parallel zu Dahoud scheinbar den Durchbruch schaffte, spielte am Ende nur elfmal und steht heute in der Schweiz beim FC Luzern unter Vertrag. Ba-Muaka Simakala, Marcel Benger und Florian Mayer als seine Nachfolger kamen nicht über wenige Minuten hinaus. „Wir haben unsere Philosophi­e darauf ausgelegt, dass wir immer wieder Talente finden wollen, am besten im eigenen Stall, aber auch extern. In den letzten zwei Jahren haben wir mehr dort eingekauft, jetzt ist es schön, dass es mal wieder ein eigenes Talent ist“, sagte Eberl am Sonntag. Eines kann Beyer niemand mehr nehmen: Als 25. Eigengewäc­hs seit 2004 darf er bald sein Trikot im Kabinengan­g des Borussia-Parks aufhängen.

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