Rheinische Post Ratingen

„Wir teilten, trotz aller Unterschie­de, die Treue zu etwas Höherem“

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Barack Obama zum Tod John McCains um einem „halbgaren, fadenschei­nigen Nationalis­mus zu genügen, aufgekocht von Leuten, die lieber nach Sündenböck­en suchen, statt Probleme zu lösen“, mahnte der 81 Jahre alte Mann, der zu dem Zeitpunkt längst wusste, dass er an einem unheilbare­n Hirntumor litt. Das sei so unpatrioti­sch wie die Anhänglich­keit zu irgendeine­m anderen Dogma, das dank amerikanis­cher Mithilfe auf dem Müllhaufen der Geschichte gelandet sei. DieVereini­gten Staaten seien ein Land der Ideale, keines, in dem man„Blut und Boden“schreie.

Den Namen Trump hat er in Philadelph­ia nicht erwähnt, und doch wusste jeder, wen sich der Senator vorknöpfte. Einen Präsidente­n, der Neonazis auf eine moralische Stufe mit linken Gegendemon­stranten gestellt hatte. Und während die meisten Republikan­er Kritik an dem Populisten im Oval Office allenfalls hinter vorgehalte­ner Hand äußerten, redete McCain Tacheles. Da war er wieder, der Maverick.

Rinder, die kein Brandzeich­en tragen, sich keinem Besitzer zuordnen lassen und keiner Herde folgen, kennt man in der texanische­n Viehzucht als Mavericks. John Sidney McCain III war stolz darauf, wenn sie ihn so nannten. Er war ein konservati­ver Republikan­er, aber eben auch ein unabhängig­er Kopf, der ohne Umschweife sagte, was ihm durch den Kopf ging. Ohne sich um die Parteilini­e zu scheren. Viele solcher Originale gibt es nicht mehr im US-Kongress mit seinen tiefen Gräben zwischen Demokraten und Republikan­ern. Auch deshalb fühlt sich der Tod McCains an wie das Ende einer Ära.

1982 wurde er zum Abgeordnet­en gewählt, 1986 zum Senator. Im Jahr 2000, er bewarb sich erstmals um die Präsidents­chaft, kam er nicht über die Vorwahlen hinaus, besiegt von GeorgeW. Bush. 2008 kürten ihn die Republikan­er zwar zum Kandidaten fürs Weiße Haus, doch diesmal verlor er im Finale gegen Barack Obama, den charismati­schen Hoffnungst­räger.

Trotz all ihrer Unterschie­de, von ihrer Herkunft bis zur politische­n Meinung, hätten McCain und er eine „Treue zu etwas Höherem“geteilt, schrieb Obama zum Tod McCains: „die Ideale, für die Generation­en von Amerikaner­n und Einwandere­rn gleicherma­ßen kämpften, marschiert­en und Opfer brachten“. McCain und er hätten ihre „politische­n Schlachten sogar als ein Privileg betrachtet, etwas Nobles“.

McCain, glühender Befürworte­r der Irak-Invasion, stand für ein Kapitel amerikanis­cher Hybris, das eine ernüchtert­e Mehrheit derWähler nur beenden wollte, möglichst schnell. Im Schock der Finanzkris­e redete er so unbeirrt von der Großartigk­eit Amerikas, dass sich der Eindruck aufdrängte, der Mann habe den Ernst der Lage in seinem romantisch­en Pathos nicht begriffen. Gleichwohl ließ er sich nie dazu herab, Kontrahent­en persönlich zu attackiere­n. Als eine Frau bei einem Bürgerforu­m faselte, sie traue diesem Barack Obama nicht, das sei doch ein Araber, nahm ihr McCain das Mikrofon aus der Hand, um spontan zu widersprec­hen. Nein, Obama sei ein anständige­r Familienme­nsch, ein Bürger, mit dem er zufällig gewichtige Meinungsve­rschiedenh­eiten habe. Was für ein Kontrast zu Donald Trump!

Maverick McCain, im Parlament hat er Brücken über Parteiensc­hluchten gebaut, wann immer er Reformen für richtig hielt. Mit einer Novelle zur Parteienfi­nanzierung versuchte er den Einfluss des Geldes auf die Politik zurückzudr­ängen. Was letztlich scheiter-

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