Autozulieferer in der Region stehen massiv unter Druck
LEVERKUSEN Es sind nur vier Buchstaben. Aber damit verbinden sich Befürchtungen, es könnte Kurzarbeit drohen, in der Belegschaft von Automobilzulieferern in der Region. Die vier Buchstaben WLTP stehen für „Worldwide harmonized Light-Duty Test Procedure“, einem neuen Messverfahren in der Automobilbranche. Der Allgemeine Deutsche Automobilclub Deutschland (ADAC) erläutert: „Ab dem 1. September werden neue Autos nur noch zugelassen, wenn sowohl Schadstoff- und CO2-Emissionen als auch der Kraftstoff- bzw. Stromverbrauch nach dem Messverfahren WLTP ermittelt wurden. Die EU hat das Verfahren entwickelt, um realitätsnähere Verbrauchsangaben zu erhalten.“
Das Problem: Mancher Autobauer kommt bei den Messungen nach dem neuen Verfahren kaum hinterher. Das könnte auch die Automobilzulieferbranche treffen. Ein Mitarbeiter eines Autozulieferers in der Region, der namentlich nicht genannt werden möchte, sagt gegenüber unserer Redaktion: „Es mussten Bestellungen rausgenommen werden, es wird weniger verkauft. Von weniger Schichten und möglicherweise bald Kurzarbeit ist bei uns die Rede, weil die Autobauer mit dem Freifahren der Wagen auf dem neuen Prüfstand nicht schnell genug hinterherkommen.“
Einer der großen Autozulieferer ist Adient. Der Bereich für Autositze und Fahrzeuginnenräume ist vor nicht allzu langer Zeit aus dem Konzern Johnson Controls International ausgegliedert worden und hat seine Europazentrale weiterhin in Burscheid. Pressesprecherin Claudia Steinhoff sagt: „Wir sehen derzeit durch WLTP keinen großen Einfluss auf uns, wir haben stabile Auftragsvolumina.“Gleichwohl sehe Adient ein „Umshiften von Volumina hin zu Fahrzeugen, die die Prüfnorm schon erfüllt haben“. Auswirkungen gebe es auf Adient derzeit nicht. Bei Federal Mogul in Burscheid hat es nach starkem Jahresbeginn Auftragsrückgänge gegeben. Pressesprecherin Ursula Hellstern führt sie teilweise auf „fehlende Zulassungen aufgrund der WLTP-Anforderungen, aber auch auf sich verändernde Verhältnisse von Diesel- zu Benzinmotoren sowie Änderungen in der aktuellen Welthandelspolitik“zurück. „Aufgrund der aktuellen Auftragseingänge werden wir unsere Schichten etwas zurückfahren. Über Kurzarbeit denken wir zur Zeit aber nicht nach.“
Auswirkungen könnte es aber auf die Autoabnehmer haben, sagt der ADAC. Prinzipiell sei die Umstellung gut. „Autokäufer bekommen endlich realistischere Werte, auf die sie sich mehr verlassen können“, sagt ADAC-Technik-Experte Heinz-Gerd Lehmann. Nachteil: Die Kfz-Steuer für neu zugelassene Modelle steige, „denn Bemessungsgrundlage sei neben dem Motor-Hubraum auch der CO2-Ausstoß. Weil die offiziellen Verbrauchsangaben jetzt realistischer ausfallen, ist auch der CO2Wert nach WLTP meist höher als der bisher gültige Wert“nach dem alten Prüfstand. „Die Situation ist kurios: Obwohl die Modelle technisch absolut identisch sind und nur neu gemessen wurden, zahlt derjenige, der sein Auto nach dem 1. September zulässt, bis zu 70 Prozent mehr Kfz-Steuer als der Altbesitzer.“
Und trotzdem: Die Steueranpassung findet der ADAC sinnvoll, weil das näher an den realen CO2-Emissionen liege und somit für Autobauer Anreize schaffe, „verbrauchsärmere Autos zu bauen“.