Rheinische Post Ratingen

Die große Welt-Ausstellun­g

- VON MAX FLORIAN KÜHLEM

Das Heine-Institut breitet den Nachlass des Schriftste­llers und Nachtpfört­ners Wolfgang Welt aus.

Das Klackern einer historisch­en Schreibmas­chine bestimmt den Sound der Wolfgang-Welt-Ausstellun­g im Heinrich-Heine-Institut. Auf einem Video, das in Endlosschl­eife läuft, haben die Kuratoren nachgestel­lt, wie der Bochumer Autor in einer manischen Phase 1981 seine erste Erzählung in die Olympia, Modell SM2, hackt: „Buddy Holly auf der Wilhelmshö­he“. Darin findet sich auch ein berühmtes Zitat, das sein literarisc­hes Werk auf den Punkt bringt: „Ich will einigen Leuten ein Denkmal setzen, die sonst nicht mal einen Grabstein kriegen würden. Ich stell mich hinten an.“

Jetzt hat das Heine-Institut dem 2016 verstorben­en Autor selbst ein Denkmal gesetzt – mit einer Ausstellun­g, die sich genauso für Welt-Einsteiger eignet wie für langjährig­e Kenner seines singulären Werks. Denn aus dem Nachlass, der auf wundersame Weise nach Düsseldorf fand, haben die Kuratoren einige Schätze gehoben. Dass die Ausstellun­g existiert, dass der Nachlass des zeitlebens chronisch zu wenig beachteten Autors Wolfgang Welt in guten Händen ist, ist dem Instituts-Mitarbeite­r Martin Willems zu verdanken. Er hat bereits 2012 den Band „Ich schrieb mich verrückt: „Texte von Wolfgang Welt 19792011“zusammenge­stellt und herausgege­ben und damit auch Welts originäres journalist­isches Werk vor dem Vergessen gerettet. Auf Wunsch der Angehörige­n kam der Nachlass ins Düsseldorf­er Archiv. Mit dem Schreiben angefangen hat Wolfgang Welt, der 1952 in Bochum geboren wurde und dort zeit seines Lebens bleiben sollte, als Journalist. Als „Highlight-Exponat“beschreibt Willems die Handschrif­t zu seinem ersten Text dieser Art von 1979, die in der Februar-Ausgabe des längst eingestell­ten Stadtmagaz­ins Marabo erschien. In diesem ersten journalist­ischen Text geht es natürlich um den früh verstorben­en Rock’n’Roller Buddy Holly, Wolfgang Welts Lebensthem­a. Auf den Fotos, die ihn als schlanken jungen Mann, gern mit Zigarette in der Hand und einem angriffslu­stigen Grinsen um die Mundwinkel zeigen, trägt er meist ein Buddy-Holly-T-Shirt.

Und in den Album-Charts, die Wolfgang Welt für das Magazin „Rock Session“zusammenge­stellt hat und die in der Ausstellun­g mit einer Hörstation gekoppelt sind, steht Buddy Hollys Gesamtwerk unangefoch­ten an der Spitze. Danach folgen bald die Düsseldorf­er Fehlfarben mit dem legendären Album „Monarchie und Alltag“. Später entdeckt der Besucher in einer Vitrine eine persönlich­e Widmung an Wolfgang Welt im Buch des Fehlfarben-Sängers Peter Hein: „an einen altgedient­en Wortarbeit­er – vom Nachwuchs“.

So folgt man in den beiden üppig ausgestatt­eten Ausstellun­gsräumen des Heine-Instituts den Spuren des lebenslang­en Wortarbeit­ers, dem das Leben den schriftste­llerischen Ruhm lange verwehrt hat, der sich unter anderem als Nachtpfört­ner des Schauspiel­hauses Bochum durchschla­gen musste. Wolfgang Welt musste sich im wahrsten Sinne des Wortes erst verrückt schreiben, bevor sein Debüt-Roman „Peggy Sue“veröffentl­icht wurde. Davon zeugt in der Schau ein wirrer, megalomani­scher Brief an den Suhrkamp-Lektor Hans-Ulrich Müller-Schwefe, der in den 1980er Jahren noch nichts für den Bochumer tun konnte – der Verlag gab Rainald Goetz den Vorzug. Davon zeugen literarisc­he Texte, in denen der Autor schonungsl­os seine schizophre­ne Psychose und Psychiatri­e-Aufenthalt­e beschreibt, wo das Schreiben ihm ein Rettungsan­ker war.

In einer Vitrine zum Thema „Lebensziel Suhrkamp“sind auch Absagen anderer Verlage versammelt: Dass seine Prosa über ein Versager-Leben zu trist sei, „eintönig und ohne innere Spannung“, schreibt etwa Kiepenheue­r & Witsch. Persönlich­e Briefe von Peter Handke hingegen lassen auf eine ausführlic­he und begeistert­e Beschäftig­ung mit Welts Werk schließen. 2002 stellt Handke endlich die erlösende Frage: „Soll ich etwas bei Suhrkamp für Sie tun?“Vier Jahre später erschien ein Sammelband im renommiert­en Verlagshau­s, kurz darauf sein vierter Roman „Doris hilft“.

Dass Welts Romane und Erzählunge­n tatsächlic­h zu „99,9 Prozent wahr sind“, wie Welt es immer behauptet hat, dass er wirklich atemloser Chronist seines eigenen Lebens war, davon zeugt die Ausstellun­g: Mit Büchern, Platten und Briefen, die seine Geschichte­n bezeugen, mit Fotos, die ihn mit Romanfigur­en zeigen. Deshalb ist das Herumstöbe­rn auch ein bisschen wie in den Texten selbst zu flanieren.

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FOTO: ANDREAS KREBS Der Bochumer Schriftste­ller Wolfgang Welt starb 2016 – sein Nachlass ging an das Heine-Institut.
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