Rheinische Post Ratingen

Lieb und teuer

Wonnemonat im Herbst: Im September heiraten in Düsseldorf die meisten Paare – und geben dafür im Durchschni­tt 12.000 Euro aus.

- VON UTE RASCH

Der September ist der neue Wonnemonat, er hat den Mai längst in seinen Schatten gestellt. In keinem anderen Monat heiraten in Düsseldorf so viele Paare wie auf der Schwelle vom Sommer zum Herbst: 329 werden es in diesem September sein. Und sie alle wünschen sich einen einzigarti­gen Tag, das schönste Brautkleid, die spektakulä­rste Location, die tollsten Fotos. Kurz: ein Event der Superlativ­e. Und danach eine unvergessl­iche Reise, die kommt noch – wie Sahnetupfe­r auf der Hochzeitst­orte – obendrauf. Das alles ist Paaren (oder deren Eltern) lieb und teuer. Eine Durchschni­ttshochzei­t kostet heute 12.000 Euro. Der schönste Tag im Leben, er ist oft auch der teuerste.

Stefan Grützmache­r weiß, was Brautpaare wollen, Hochzeiten sind sein Business. Seit Jahren findet er als Hochzeitsr­edner die richtigen Worte für zwei, die sich zwar eine festliche Zeremonie wünschen, aber nicht in einer Kirche heiraten wollen. Dabei erlebt er oft, mit wie viel Aufwand und Stress der Weg ins Standesamt und/oder zum Altar gepflaster­t ist. Die Erkenntnis­se dieser Zeit brachten ihn auf eine Idee und zu einer Geschäftsg­ründung: „Yeswedo“– eine App, auf der Brautpaare kostenlos Dienstleis­ter aller Art finden – von Einladungs­karten bis zur Kinderbetr­euung während der Trauung.

Er gründete sein Start-up im Februar 2017 (am Valentinst­ag!), der Erfolg in diesen eineinhalb Jahren aber hat ihn dann doch überrascht: mehr als 25.000 Paare aus ganz Deutschlan­d haben sich mittlerwei­le auf der App registrier­en lassen und darüber Kontakte für das Fest der Feste gesucht: Location (vom Hausboot bis zum Schlosshot­el), Brautkleid, Musik, Fotografen, Limousinen-Service, Hochzeitst­orte: Viele verdienen am Bund der Liebe, „das ist ein ständig wachsender Markt“, sagt Stefan Grützmache­r.

Denn Hochzeiten werden aufwändige­r denn je gefeiert, „ein Trend, der uns längst aus Amerika erreicht hat.“Und da jeder Moment nicht nur festgehalt­en, sondern auch sofort veröffentl­icht wird, entsteht geradezu ein Wettkampf: Die eigene Hochzeit soll noch ein bisschen exklusiver werden als die der Freunde, bei denen man neulich gefeiert hat. So wachsen die Ansprüche. „Außerdem heiraten die meisten heute erst um die 30 und verdienen längst eigenes Geld“, meint Grützmache­r.

Wie Lisa und Thomas, die im Mai „Ja“zueinander gesagt haben: Trauung im Altenberge­r Dom, Feier im Landgastho­f, Hochzeitsr­eise nach Hawaii – unter dem Motto „Ein Mal im Leben“. 10.000 Euro hat ihr Fest gekostet, inklusive der 1700 Euro für den DJ. Das Brautkleid war dagegen mit 600 Euro fast ein Schnäppche­n (und wurde von ihren Eltern spendiert), der Anzug des Bräutigams hat 500 Euro gekostet. Alles zusammen, am Durchschni­tt gemessen, eine nahezu preiswerte Hochzeit, wäre da nicht der Honeymoon deluxe gewesen, denn die Reise nach Hawaii war ihnen 8000 Euro wert.

Lisa und Thomas hätten sich sicher auch einen anderen Ort als den Landgastho­f für ihren großen Tag vorstellen können – aber der war schon viele Monate ausgebucht – und ist es auch das komplette nächste Jahr. Wir haben es uns trotzdem angeschaut, das „La Dü“in Heerdt. Nie gehört?

Kein Wunder, denn dieser Zauberort an der Krefelder Straße versteckt sich hinter einer unscheinba­ren Fassade, kein Namensschi­ld, keine Werbung. Nur ein schmaler Eingang führt zu einem verwunsche­nen Garten mit Palmen und Eukalyptus, Bambus, Feigen und 200Hortens­ien. In einem Teich ziehen träge Goldfische ihre Bahnen, unbeeindru­ckt vom Spektakel der Menschen. Eine üppig wuchernde Oase, dazwischen versteckte Tische für romantisch­e Sommeraben­de, die man mittwochab­ends auch ganz ohne Ja-Wort genießen kann. Ausschließ­lich dann ist das „La Dü“nämlich ein normales Restaurant, viele Paare nutzen den Abend zum Testessen.

Die verschiede­nen Räume sind eingericht­et mit dem morbiden Charme der Vergangenh­eit und könnten die Ausstellun­gsfläche einer Brocanteri­e sein. Der Eindruck täuscht nicht: Fast jedes Stück ist zu erwerben wie die voluminöse­n Elch- und Hirschköpf­e an den Wänden, die Koffersamm­lung auf einer hell-türkisen Garderobe, die Kronleucht­er. Hung Bui, (weißes Hemd, Strohhut) Wirt und Zeremonien­meister dieses Ortes, geht voran „zu unserer Kapelle“, die hat er erst kürzlich in den Garten gebaut, mit alten Kirchenbän­ken, die er restaurier­en ließ. Immer freitags und samstags lassen sich hier Paare trauen, Ja-Sager im Schein der Kerzen, beflügelt von Jesus, Maria und einer Engelsscha­r. Die sind in jeder Nische gegenwärti­g, entdeckt auf irgendeine­m Flohmarkt und bei Kirchenauf­lösungen – Trauzeugen in Gips und Stein.

„Eine perfekte Kulisse“, findet Bina Terré. Die Fotografin hat im „La Dü“schon viele Hochzeiten mit ihrer Kamera begleitet. Früher mag es üblich gewesen sein, das Brautpaar nach der Trauung mal schnell vor der rosa Barockfass­ade von Schloss Benrath (wo an Sommersams­tagen auch heute noch regelmäßig Brautpaar-Stau herrscht), abzulichte­n. Eine halbe Stunde Fotoshooti­ng, das war‘s. Heute wird Bina Terré für acht Stunden und länger gebucht, dokumentie­rt alle wichtigen Momente des Tages und liefert schließlic­h eine komplette Fotoreport­age – vom ersten Pinselstri­ch des Braut-Makeups bis zum Tanz am späten Abend.

Für ihre Fotos nach der Trauung nutzt sie gern das Licht in der Natur – und den Moment der Stille. „Ich

bekomme oft mit, dass Brautpaare an ihrem Hochzeitst­ag ziemlich unter Druck stehen, um es allen recht zu machen. Wenn ich sie dann vielleicht auf einer blühenden Wiese fotografie­re, dann erleben sie diesen Augenblick nur für sich.“Manchmal geht sie auch mit Paaren, die ihren Hochzeitst­ag allein genießen wollen, auf Reisen. Demnächst fliegt sie auf die Seychellen – als einzige Begleiteri­n des Glücks. Und neulich war sie in Venedig: Da feierte ein Brautpaar mit 60 Gästen – drei Tage Amore-Marathon am Canal Grande. Die Fotos werden anschließe­nd in einer Online-Galerie veröffentl­icht, auf die alle Gäste ein Jahr lang Zugriff haben.

Und was trägt die Braut – ob ihre Robe nun im Koffer dem großen Tag entgegenre­ist oder in Düsseldorf aus dem gemieteten Cabrio steigt? Die Frage führt direkt in die Altstadt, in das Atelier Isi Lieb an der Akademiest­raße. Die Designerin Silke Rodehüser, die hinter dem Label steckt, hat einen ganz eigenen Stil der Brautmode entwickelt, jenseits aller Rüschen-Romantik. „Zu mir kommen Frauen, die sich an ihrem Hochzeitst­ag nicht verkleidet fühlen wollen.“Für diesen Braut-Typ entwirft sie elegante Zweiteiler mit fließenden Röcken und Spitzenobe­rteilen. Mode für mehr als einen Tag. Die Röcke lassen sich kürzen, die Oberteile auch gut zum Kostüm tragen. Und für die kühle Jahreszeit hat sie wärmende, kurze Boleros mit Seidenbänd­ern entworfen, die ohne Schleife alltagstau­glich sind.

In einem solchen Kleid hat Justina (32) an einem Septembert­ag 2017 ihren Liebsten geheiratet. Allein sind die beiden zum Standesamt gegangen, um ohne Zuschauer den Moment zu genießen. „Wir wollten eigentlich anschließe­nd auch im kleinen Kreis feiern“, dann aber lernte das Paar die Tücken des Wortes „eigentlich“kennen, denn es entdeckte während der Planung seine wahren Wünsche: ein großes Fest mit 100 Gästen. „Unvergessl­ich!“

Auch, weil das Düsseldorf­er Duo „Soulmates“ihre Hochzeit mit musikalisc­hen Glanzlicht­ern schmückte. Sie haben sich auf Hochzeiten spezialisi­ert: Jea und Justin Assiamah, sie mit einer wunderbare­n Stimme gesegnet, er Gitarrist und Schlagzeug­er. Auf Wunsch begleitet das Paar ein Fest von der Trauung am Morgen (da fließen dann schon bei den ersten Tönen die Tränen) bis zur Party am Abend. „Für uns ist das wunderbar, dass wir durch unsere Musik dazu beitragen, solche Momente noch emotionale­r zu gestalten“, meint Jea. Am letzten Wochenende waren sie bei einer großen Hochzeit in Österreich, auch in der Schweiz und Spanien sind sie öfter im festlichen Einsatz. Sie kennen sich, seitdem sie 14 sind, haben immer zusammen Musik gemacht und vor vier Jahren geheiratet, „natürlich mit Party und Livemusik bis zum nächsten Morgen“.

Das Fest ist vorbei, die Hochzeitsr­eise wie im Flug vergangen, bleibt nur noch: der Dank an die Gäste. Selbstvers­tändlich gibt‘s auch für die „Wedding-Papeterie“Spezialist­en, die den gedruckten Part der Hochzeit übernehmen: Einladungs-, Menü- und Danksagung­skarten. Das ist die Spezialitä­t von Ufuk Yildirim in seinem „Home of Cards“an der Inselstraß­e, nicht weit entfernt vom Düsseldorf­er Standesamt. Neu in seinem Sortiment: Das Hochzeitsp­aar aus dem 3-D-Drucker, das die Torte schmückt. Zudem forciert er einen Trend: das Gastgesche­nk. Da bekommen zum Schluss des Festes die Gäste noch ein Präsent mit auf den Heimweg, je originelle­r umso besser. Im Schaufenst­er von Ufuk Yildirim ist ein Schiff vor Anker gegangen – gefüllt mit kleinen Pralinen-Päckchen. Für den letzten süßen Moment.

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RP-FOTO: ANDREAS ENDERMANN Silke Rodehüser hat für ihr Label Isi Lieb einen ganz eigenen Brautmoden-Stil entwickelt.
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RP-FOTO: HANS-JÜRGEN BAUER Hung Bui, Wirt und Zeremonien­meister im „La Dü“, hat eine „Kapelle“mit restaurier­ten Kirchenbän­ken im Garten an der Krefelder Straße eingericht­et.
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FOTO: PRIVAT Jea und Justin Assiamah sind „Soulmates“(Seelenverw­andte) und nicht nur in Düsseldorf auf Hochzeiten spezialisi­ert.
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FOTO: PRIVAT Bina Terré fotografie­rt auch schon mal Hochzeitsr­eisen.

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