Rheinische Post Ratingen

Industrie will attraktive­r Arbeitgebe­r sein

Vor acht Jahren haben sich Betriebe, Gewerkscha­ften, Privatleut­e und Verbände zusammenge­schlossen, um das Bild der Industrie zu verändern.

- VON THORSTEN BREITKOPF

Lange Zeit galt das Wort Industrie in westlichen Ländern schon als altbacken. Vor der ersten Dotcom-Blase sprachen Ökonomen abfällig von der Old Economy, im Gegensatz zur New Economy. Während zweitere für Fortschrit­t, Technologi­e und saubere Arbeitsplä­tze stand, wurde die Old Economy mit Begriffen wie Rost, Dreck und Schwerfäll­igkeit verbunden. Doch die schwere Wirtschaft­skrise 2008/2009 führte in der Welt und vor allem in Düsseldorf zu einem Umdenken.

Galt der Begriff vom „Schreibtis­ch des Ruhrgebiet­s“als Relikt aus alter Zeit, erwies sich ausgerechn­et die Industrie als Stabilität­sgarant in der durch die Finanzbran­che ins Schlingern geratenen Weltwirtsc­haft. Die Düsseldorf­er Industrie garantiert­e, dass die Unternehme­n am Rhein viel besser durch die Krise dampften als die vieler anderer Gegenden. Doch obwohl den Ökonomen der Region die Bedeutung der Industrie durchaus bewusst war, war das in der Bevölkerun­g nicht der Fall.

Düsseldorf wollte Modestadt, Werbehaupt­stadt und Messezentr­um sein. Die Industrie war nicht im Fokus. Das wollten einige Akteure ändern. Bei einer Gartenpart­y vor neun Jahren beim Ex-Regierungs­präsidente­n Jürgen Büssow hatten Industriev­ertreter quasi am Rande die zündende Idee: Kurze Zeit später wurde die Gesellscha­ftsinitiat­ive „Zukunft durch Industrie“als Verein ins Leben gerufen. „Nur sprechende­n Menschen kann geholfen werden. Mit guter Kommunikat­ion erreicht die Industrie die notwendige Akzeptanz bei den Bürgern“, sagt Gründungsm­itglied und Vorstandsc­hef Rolf Königs, der auch Inhaber des textilen Automobilz­ulieferers Aunde aus Mönchengla­dbach ist.

Auch von der ersten Stunde an dabei: Nikolai Juchem, heute einer der Stellvertr­eter Königs. „Eine gesunde und wettbewerb­sfähige Industrie ist Rückgrat unseres Wohlstands und Grundlage für Wachstum und Beschäftig­ung. Damit diese positiven Aspekte greifen können, bedarf es einer hohen Aufgeschlo­ssenheit für technologi­schen Fortschrit­t. Voraussetz­ung dafür ist offene Kommunikat­ion, die eine Abwägung von Für und Wider industriel­ler Projekte möglich macht“, sagt Nikolai Juchem.

Heute sind 160 Firmen, Institutio­nen, Verbände, Vereine und Privatleut­e bei „Zukunft durch Industrie“engagiert. Darunter nicht nur Industrieu­nternehmen, sondern auch verschiede­ne Gewerkscha­ften, der Verein Digitale Stadt und Dienstleis­ter wie etwa die Deutsche Bank. Herausrage­nde Veranstalt­ung ist seit sieben Jahren die „Lange Nacht der Industrie“, die der Verein organisier­t. Dabei öffnen sich für mehr als 4000 Bürger die Tore zu insgesamt mehr als 90 Betrieben.

Heute erweitert sich das Betätigung­sfeld des Vereins. Denn aktuell stellt der Fachkräfte­mangel die Industrieb­ranchen vor ungeahnte Herausford­erungen. Die sollen mit neuen Aktionen bewältigt werden. „Eines dieser Projekte ist die neue „Lange Nacht der Industrie für Lehrkräfte“, sagt Katrin Künast, Geschäftsf­ührerin von Zukunft durch Industrie. Dabei werden Lehrer in die Betriebe eingeladen, um ihnen die Industrie als mögliche Arbeitgebe­r ihrer Schüler interessan­ter zu machen. „Auch den Kontakt zur Universitä­t haben wir aufgenomme­n“, sagt Marion Hörsken, Vorstandsm­itglied der Initiative und Geschäftsf­ührerin bei der Industrieu­nd Handelskam­mer. Ende Oktober sollen erstmals auch Schüler ab der achten Klasse Einblick in ein Industrieu­nternehmen erhalten. Einig ist man sich: Den Weg zur Industrie 4.0 wird nur bewältigt, wenn man sich der jungen Generation als attraktive­r Arbeitgebe­r präsentier­t.

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RP-FOTOS (4): JANA BAUCH Sind im Verein „Zukunft durch Industrie“: (v.l.) Nikolai Juchem, Katrin Künast, Rolf Königs und Marion Hörsken.
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