Die Bühne ähnelt dem Klassenzimmer
Comedian und Ex-Pauker Johannes Schröder packt über sein Leben am Korrekturrand der Gesellschaft aus.
RATINGEN Nach zwölf Jahren Schuldienst zog Johannes Schröder den Schlussstrich. Momentan tourt der studierte Deutschlehrer mit seinem ersten Comedy-Soloprogramm „World of Lehrkraft durch Deutschland. Am 28. September ist er im Ratinger Stadttheater. Im Interview spricht der in Köln lebende Comedian über bildungsferne Spaßgurken, scheckheft-gepflegte Kinder und andere schulische Probleme.
Herr Schröder, hier in Nordrhein-Westfalen sind die Ferien beendet. Hatten Sie denn auch eine Sommerpause?
Johannes Schröder Ja, das hatte ich. Auch wenn für mich im Herbst viele spannende Projekte anstehen, auf die ich mich vorbereiten musste. Aber das geht im Sommer besonders gut, denn Schulferien bedeuten für mich, dass ich mich wieder mit vielen ehemaligen Kollegen treffen kann, um Neues aus dem Schulalltag für mein Programm zu erfahren.
Warum haben Sie sich entschieden, den „Luxus“der geregelten Urlaubszeiten aufzugeben und auf Tournee zu gehen?
Schröder Ich habe mir eine Auszeit genommen, um zu schauen, was sich hinter den blauen Bergen der Korrekturstapel befindet. Ich wollte meinen im Stillen gehegten Traum, ein eigenes Comedy-Programm zu schreiben und auf die Bühne zu bringen, in die Realität umsetzen.
Haben Sie Ihren Job gerne gemacht?
Schröder Ja, Ich war gerne Lehrer. Ich habe mit Schülern immer eine gute Zeit gehabt. Da war jeden Vormittag alles dabei: Wir haben viel gelacht, gearbeitet, diskutiert, es gab viele Auseinandersetzungen und immer Überraschungen, keine Frage - aber im Klassenzimmer war ich sehr zufrieden mit dem Beruf. Schwierig waren für mich die Konferenzen, das Korrigieren zu Hause und die vielen Bildungsreformen, wie zum Beispiel die Einführung des achtjährigen Gymnasiums.
Wie stellen Sie sich eigentlich einen typischen Lehrer vor? Schröder Den typischen Lehrer kann man fast gar nicht beschreiben. Aber da ist natürlich der Sportlehrer: jung, motiviert, gutaussehend, beliebt im Kollegium und bei den Schülern, kurz gesagt ein Riesenarschloch. Ich sag’ immer liebevoll „die bildungsferne Spaßgurke aus der Turnhalle“. Oder der Deutschlehrer: das Cordjacket-Opfer, der Beamte mit Frustrationshintergrund, der ein Dasein fristet am Korrekturrand der Gesellschaft und sich nichts mehr ersehnt als dem Rotstiftmilieu zu entrinnen. Dann sind da noch die engagierten Jung-Lehrerinnen: Laminier-Lara, Gruppenpuzzle-Beate, Folien-Frauke ….
Und wie stellen Sie sich den Durchschnittsschüler von heute vor? Schröder Da sind natürlich einmal die „scheckheft-gepflegten“Kinder, wie zum Beispiel die drei hochbegabten Geschwister Caspar, David, Friedrich: Zauberwürfelrekordhalter und Brustbeutel mit Plastiksichtfenster. Diese Schüler korrigieren nach der Stunde mein fehlerhaftes Tafelbild. Dann gibt es noch die unkonzentrierten und hibbeligen Schüler, von denen die Eltern behaupten, sie hätten ADAC. Wieder andere Schüler verhalten sich komplett schuldistanziert und kennen das Innere des Klassenzimmers nur noch aus Erzählungen. Und nicht zu vergessen sind die aufmüpfigen und frechen Schüler, die die neue Schulleiterin gefragt haben, ob das Wort „Rektorin“tatsächlich von „rektal“käme.
Was macht für Sie einen guten Lehrer aus?
Schröder Ein weites Feld. Ein guter Lehrer ist vor allem interessiert an seinen Schülern und nimmt sie ernst. Er hat einen zugewandten Blick auf die Individualität eines jeden Schülers und be- bzw. verurteilt sie nicht. Ein engagierter Lehrer ist nicht konfliktscheu, da Heranwachsende Konflikte brauchen, um sich in der Welt zurecht zu finden und um sich ernst genommen zu fühlen. Der Lehrer muss klare Ansagen machen, die auch morgen noch gelten, und sollte dennoch immer in der Lage sein, sich selbst zu hinterfragen. Darüber hinaus ist es toll, wenn er für sein Fach glüht und die Entwicklung der Jugend im Blick behält: Ein Deutschlehrer sollte Faust zitieren und dennoch über „I bims“schmunzeln können.
Worin besteht der Unterschied? Vor einer Klasse zu unterrichten oder ein Publikum bei Laune zu halten? Schröder Vieles ist ähnlich. Aber anders. Als Lehrer muss man auf der Bühne tatsächlich vorbereitet sein. Film gucken geht nicht, Kopiervorlage oder Gruppenpuzzle gehen auch nicht. Gegessen und getrunken wird auch während meines Programms. Zuspät-Kommer, Handy klingeln: alles sehr ähnlich. Ansonsten freue ich mich über zahlreiche freiwillige Zuhörer.
Erst letztens wurden Sie mit dem Prix Pantheon, dem Publikums-Preis, ausgezeichnet. Was bedeutet das für Sie?
Schröder Diese Auszeichnung ist eine sehr große Ehre für mich und dass mein Bühnen-Programm so gut angenommen wird, darüber freue ich mich jeden Tag. Die zwölf Jahre Schuldienst waren gewissermaßen eine „innere Vorbereitung“für
das, was „World of Lehrkraft“jetzt ist. Ganz ehrlich: Das, was ich auf der Bühne erzähle, kam tatsächlich so aus mir heraus, ich musste nicht lange nach Themen, Titel, Bühnenhaltung etc. suchen… das war alles einfach „da“.