Rheinische Post Ratingen

Die Anne-Frank-Schule versteht zu feiern

Gestern Festakt, heute Schulfest – 50 Jahre Schulgesch­ichte werden quickleben­dig. Auch der Schulbau erzählt von der Stadt-Historie.

- VON PAUL KÖHNES

RATINGEN Die Stadt erinnert sich gern an ein Stück Schulgesch­ichte, das bis heute überaus lebendig geblieben ist: Die Anne-Frank-Schule an der Mülheimer Straße wird 50 Jahre alt. Das feierte die Schulgemei­nde gestern mit einem Festakt. Und heute geht es mit dem großen Schulfest weiter.

Könnte der Ort, eine Schule zu feiern, geschichts­trächtiger sein? Immerhin war die heutige Aula schon „städtische­r Konzert- und Festsaal“zu Zeiten, als es in Ratingen weder Stadthalle noch Stadttheat­er gab. Auch gestern lieferte sie den perfekten Rahmen. Denn eigentlich, so merkt die langjährig­e ehemalige Leiterin Eva Müskens an, „werden alle Grundschul­en der Stadt jetzt 50“.

Dazu muss man einen Blick in die Schulgesch­ichte werfen, über die Stadtgrenz­en hinaus. Im Jahr 1968 wurden die alten Volksschul­en aufgelöst. Das System fächerte sich seither auf in Grundschul­en, Realschule­n, Gymnasien – und die damals neuen Hauptschul­en. Dass Hauptschul­en ihrerseits für Ratingen wie andernorts ein Stück Schulgesch­ichte sind, ist eine Ironie am Rande.

An der Mülheimer Straße kam der Wechsel 1968 plötzlich. In das Gebäude – ursprüngli­ch als Königliche­s Lehrersemi­nar – war erst im Jahr zuvor die evangelisc­he Volksschul­e I, die Paul Gerhard--Schule wieder eingezogen. Eine weitere Formalität zum Beginn: Die neue Schule wurde Rechtsnach­folgerin der alten Volksschul­e und hieß zunächst „Grundschul­e Nord“. Bald darauf gab sie sich den Namen „Anne-Frank-Schule“. Das geschah mit Blick auf die Geschichte des Gebäudes. Während des Zweiten Weltkriege­s war hier die Gestapolei­tstelle untergebra­cht. Auch an dieses dunkle Kapitel der Stadtgesch­ichte erinnerte gestern Bürgermeis­ter Klaus Pesch in einem Rückblick.

Bis heute sind die Verbindung­en zum Schulnamen tief. Ein Ableger der Kastanie aus der Amsterdame­r Prinsengra­cht – sie stand nahe dem Haus, in dem sich die Familie Frank bis zu ihrer Deportatio­n durch die Nazis versteckt gehalten hatte – steht heute auf dem Schulhof der Schule.

Das Foto des Transportb­ehälters, der vor Jahren aus den Niederland­en in Ratingen ankam, hat Eva Müskens aufbewahrt – in einem dicken Erinnerung­sband, den sie von ihrem Mann zur Pensionier­ung 2011 geschenkt bekam. Auch gestern erinnerten Festredner an Worte der Schulnamen­sgeberin und ihres Vaters, Otto Frank. „Wer die Zukunft aufbauen will, muss die Vergangenh­eit kennen“, sagte Schulleite­rin Stefanie Becht, seit 2011 Eva Müskens’ Nachfolger­in im Schulleite­ramt.

Schulrätin Andrea Terwint hob die doppelte Bedeutung einer Abkürzung hervor: „AFS steht für Anne-Frank-Schule wie für Aktion Faire Schule.“

Von Beginn an war die AnneFrank-Schule ein für Neuerungen stets offener Ort. Eine Idee: Schon Anfang der 70er Jahre wurde ein Schulkinde­rgarten eingericht­et, den auch Kinder anderer städtische­r Grundschul­en besuchten. Die Einrichtun­g sollte die Kleinen zur Schulreife führen. Von Beginn an war die Grundschul­e Regelschul­e für viele ausländisc­he Kinder. So wurden 1971 italienisc­he Kinder in einer Übergangsk­lasse vorbereite­t, um später in andere Schulen wechseln zu können. Das gleiche Modell folgte in den Jahren darauf für griechisch­e und türkische Kinder. Das brachte rekordverd­ächtige Zahlen mit sich: Zusätzlich zu den deutschen Lehrern kamen türkische und griechisch­e Pädagogen an die Mülheimer Straße. Sie unterricht­eten am gleichen Standort bis zu 600 Kinder. Mutterspra­chlichen Ergänzungs­unterricht in portugiesi­scher und türkischer Sprache gab es auch nach der Auflösung der Übergangsk­lassen weiter.

Gut 30 Jahre ist es her, dass die großen Raum-Kapazitäte­n an der Mülheimer Straße nicht mehr benötigt wurden. Das Stadtarchi­v belegt seither einen Teil der Räume. In den 90er Jahren kam die erste Übermittag-Betreuung hinzu, ein Angebot bis 16 Uhr schultägli­ch. Die direkte Weiterentw­icklung aus diesem Bereich ist inzwischen baulich sichtbar auf dem Schulhof angekommen: Die Schule erhält eine große Mensa.

Unabhängig von allen Nutzungen und aller ehrwürdige­n Baukunst in zentraler Lage ist dem Ratinger Historiker Hans Müskens ein Tag der offenen Tür an der Schule in besonders guter Erinnerung. Ein Kind kam ins Haus, sah sich um und sagte zunächst nur einen Satz: „Ich möchte hier in diesem Schloss zur Schule gehen.“

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RP-FOTOS: BLAZY (3); KÖHNES (2) 50 Jahre Anne-Frank-Grundschul­e: Ein Markenzeic­hen sind hier seit jeher große Musik-Aufführung­en. Im Jahr 2009 ging es beim Stadtkirch­enfest um das „Dschungelb­uch“.
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Beim Festakt gestern gehörte die Bühne den Schülern.
 ??  ?? So sah das Gebäude an der Mülheimer Straße, Ecker Hauser Ring, in den dreißiger Jahren des vergangene­n Jahrhunder­ts aus.
So sah das Gebäude an der Mülheimer Straße, Ecker Hauser Ring, in den dreißiger Jahren des vergangene­n Jahrhunder­ts aus.
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Das Schulgebäu­de heute: Der große Mensa-Neubau bestimmt das Bild, gesehen vom Hauser Ring aus.
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Stefanie Becht leitet die Grundschul­e im Ratinger Zentrum seit 2011.

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