Rheinische Post Ratingen

Die andere CDU

Die Düsseldorf­er Bundestags­abgeordnet­e Sylvia Pantel sorgt für Aufsehen. Sie sagt, sie hat in Berlin noch einiges vor.Anzeige

- VON ARNE LIEB

Sylvia Pantel hatte kürzlich einen Termin mit der Kanzlerin. Es ging um Familienpo­litik, ihr Kernthema. Pantel will erreichen, dass Familien leichter ans Baukinderg­eld kommen, und dass Eltern, die ihr Kind zu Hause betreuen möchten, länger Geld erhalten. Sie hat da einige Ideen. Das Gespräch verlief gut, sagt sie. Eine Fraktionsk­ollegin hat sogar ein Handy-Foto gemacht. Für Pantel war das Gespräch eine Bestätigun­g, dass sie in Berlin weiterkomm­t.

Kein Zweifel besteht daran, dass von Sylvia Pantel viel aus Berlin zu hören ist: Die Abgeordnet­e aus dem Düsseldorf­er Süden taucht in den Medien im ganzen Land auf – oft mit Positionen, die auch unter Konservati­ven als konservati­v gelten. Darüber hinaus fällt sie durch eine meinungsfr­eudige Facebook-Seite auf. Mal kritisiert sie die Lockerung des Werbeverbo­ts für Abtreibung­en, dann den Familienna­chzug für Flüchtling­e. In der Unions-Krise zur Flüchtling­spolitik unterstütz­te Pantel den Vorstoß von Horst Seehofer. Und zu den jüngsten Ereignisse­n in Chemnitz teilte sie bei Facebook einen Beitrag von Wolfgang Bosbach, der eine „Tabuisieru­ng” der Probleme durch Zuwanderun­g beklagt. Pantel: “Da spricht mein ehemaliger Kollege mal wieder aus, was andere denken.”

Das sind Positionen, für die Pantel Applaus bekommt, aber auch aneckt. Das gilt auch für den CDU-Kreisverba­nd. Für diejenigen, die in Düsseldorf eine moderne Großstadt-CDU wollen, ist Pantel ein rotes Tuch, nicht erst seit ihrer Wahl in den Bundestag. Dass Sie die Partei nach rechts rücken wolle, bestreitet sie. Sie sagt, sie habe ihre Ansichten nie verändert, seit sie vor 22 Jahren in die Partei eingetrete­n ist. Verändert habe sich die CDU. „Anders als andere habe ich unser Parteiprog­ramm gelesen.“

Sie sagt das beim Gespräch, zu dem sie in den Garten ihres Einfamilie­nhaus in Wersten geladen hat. In einer Ecke stehen noch Paletten mit Blumen, die von der letzten Pflanzakti­on übriggebli­eben sind. Motto: „Blumen für Benrath“. Ihre beiden altdeutsch­en Schäferhun­de warten darauf, dass wieder ein Stöckchen fliegt. Pantel sagt, sie hat sich die Tiere auch deshalb angeschaff­t, weil sie sich mit vielen angelegt hat, von den Schaustell­ern in Rath bis zu radikalen Muslimen.

Wenn man mit ihr über Politik redet, geht es immer schnell um ihr eigenes Leben. Über die Schulpfleg­schaft kam sie mit der Politik in Kontakt. Als sie merkte, dass die Töchter für das Ticket zur Schule mehr zahlen müssen als ihr Mann für sein Betriebsti­cket, erwirkte sie mit anderen Eltern die Einführung des „Schoko-Tickets“. Sie kann viele solche Geschichte­n erzählen, auch aus ihren neun Jahren im Stadtrat: Problem gesehen, angepackt, gelöst. So sieht sie ihre Rolle, jetzt halt auf höherer Ebene in Berlin.

Dort will sie auch aus Lebenserfa­hrungen schöpfen, über die wenige Berufspoli­tiker verfügen. Pantel, seit 1979 verheirate­t, hat ihr Studium der Betriebswi­rtschaft abgebroche­n und fünf Kinder großgezoge­n. Sie hat sechs Jahre lang ihre Tante gepflegt. Sogar die Fliesen auf der Terrasse ihres Hauses hat sie mit ihrem Mann verlegt. So viel Bodenständ­igkeit kommt an, gerade im Düsseldorf­er Süden. Auch ihre parteiinte­rnen Gegner wissen, was sie an Pantel haben.

Die neue Aufmerksam­keit genießt Sylvia Pantel, seit sie Sprecherin des „Berliner Kreises“geworden ist, einem Zusammensc­hluss der Konservati­ven in der CDU-Fraktion. Wolfgang Bosbach, das bekanntest­e Mitglied der Gruppe und ein Vorbild für Pantel, hatte sie zur Mitarbeit eingeladen. Das war 2014 oder 2015, also kurz nach ihrem Eintritt in den Bundestag. Nun, nach Bosbachs Abschied, ist sie an die Spitze gerückt. Wie groß der Einfluss der Gruppe wirklich ist, darüber gehen die Meinungen auseinande­r. Viele sagen, es handele sich weniger um einen Sturm der Konservati­ven als um ein laues Lüftchen. Pantel sagt, sie habe andere Erfahrunge­n: „Man hört auf uns.“

Sie hat auch erlebt, wie kritisch sie und der Berliner Kreis beäugt werden. Für ein unglücklic­hes Positionsp­apier zum Klimawande­l gab es scharfe Kritik. Vor einem Jahr musste sie sich rechtferti­gen, weil sie einen Zeitungsar­tikel bei Facebook geteilt hatte und den Kommentar eines AfD-Polikers gleich mit. Eine Nähe zur AfD weist sie zurück: Zu dieser Partei, sagt Pantel, pflege sie ein praktische­s Verhältnis: Wenn die AfD eine vernünftig­e Position habe, stimme sie zu. „So halte ich es auch mit der Linksparte­i.“

Pantel sagt, sie hat in Berlin noch einiges vor. In der Sommerpaus­e hat sie sich in ein weiteres Thema eingearbei­tet, in dem sie sich mit dem Berliner Kreis zu Wort melden will. Es geht um das Kindergeld für EU-Ausländer. Pantel beklagt, dass zum Beispiel Rumänen den vollen Satz ausgezahlt bekämen, auch wenn ihre Kinder in der Heimat wohnten. 194 Euro, das ist dort viel Geld. „Das schafft falsche Anreize.“Sie geht davon aus, dass man in der Fraktion auf sie hören wird.

 ?? RP-FOTO: ANDREAS BRETZ ?? Die CDU-Bundestags­abgeordnet­e Sylvia Pantel mit ihren beiden altdeutsch­en Schäferhun­den beim Spaziergan­g in Wersten.
RP-FOTO: ANDREAS BRETZ Die CDU-Bundestags­abgeordnet­e Sylvia Pantel mit ihren beiden altdeutsch­en Schäferhun­den beim Spaziergan­g in Wersten.
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