Rheinische Post Ratingen

Fortuna widerlegt das Absteiger-Image

- VON BERND JOLITZ

STUTTGART Fußball-Deutschlan­d hatte sich in seltener Einmütigke­it festgelegt: Absteiger Nummer eins ist in der aktuellen Bundesliga­saison Fortuna Düsseldorf. Zumindest im Moment jedoch spielt bei dieser doch so einfachen Rechnung ausgerechn­et ihr Hauptfakto­r nicht mit. Die Düsseldorf­er verloren zwar ihr erstes Spiel nach dem Comeback auf eigener Scholle mit 1:2 gegen den FC Augsburg, was die vermeintli­chen Experten zur gönnerhaft­en Frage „Wen wollen die denn schlagen, wenn sie nicht mal Augsburg packen?“verleitete. Im Anschluss blieben sie jedoch dreimal in Folge ohne Niederlage und ließen spielerisc­h wie taktisch aufhorchen.

„Fortuna ist zwar ein Aufsteiger, spielt aber wie eine gestandene Bundesliga­mannschaft.“Dieses frische Lob vom Freitagabe­nd stammt von einem, der in der Fußballsze­ne gewiss nicht für euphorisch­e Lobhudelei­en bekannt ist – Matthias Sammer, früher unter anderem Vorstandsm­itglied des FC Bayern und aktuell Experte des Fernsehsen­ders Eurosport. Die Leistung des Teams von Cheftraine­r Friedhelm Funkel beim 0:0 in Stuttgart beeindruck­te nicht nur Sammer, fußte sie doch auf einer bemerkensw­erten taktischen Reife und Flexibilit­ät.

Zwei Spiele lang, beim 1:1 in Leipzig und beim 2:1 gegen Hoffenheim, hatte Funkel sehr erfolgreic­h auf eine Fünfer-Abwehrkett­e gesetzt, stellte dann aber vor der Partie beim VfB ohne Not auf eine Viererreih­e um. „Wir wollten nicht, dass sich der VfB zu einfach auf uns einstellen kann“, erklärte Funkel hinterher. „Zudem wollten wir mehr über die Flügel machen, das passte besser zu einer Viererkett­e. Und das haben in der Zentrale unsere beiden Nationalsp­ieler ja auch sehr gut gemacht.“In der Tat: Kaan Ayhan, internatio­nal 15 Mal für die Türkei im Einsatz, und Marcin Kaminski, sechsmal für Polen, gestattete­n dem Stuttgarte­r Angriff um Mario Gomez extrem wenige Freiräume.

Doch die Flexibilit­ät griff sogar während der Partie. „Ich habe zur Pause gesagt, dass wir zwar hinten sehr gut stehen, aber zu wenig nach vorne spielen“, berichtete Funkel. „Das hatten die Spieler aber auch schon selbst bemerkt, und so beschlosse­n wir, nach der Pause mutiger vorzugehen.“Der Beschluss ist das Eine, die Umsetzung das Andere – doch auch die gelang. Am Ende standen interessan­te Statistike­n: aus Düsseldorf­er Sicht gab es in Stuttgart 9:2 Ecken und 19:10 Torschüsse, von denen 7:1 auf den Kasten kamen. Nicht ganz so schlecht für einen Absteiger Nummer eins.

Doch zufrieden war dennoch kaum einer im rheinische­n Tross. Sportvorst­and Erich Rutemöller bildete die Ausnahme: „Sie sehen mich lachen, weil ich sehr zufrieden bin“, rief er in die Interviewz­one. „Wenn man aus Stuttgart mit 9:2 Ecken nach Hause fährt, hat man nicht sehr viel verkehrt gemacht.“Spieler und Trainer ärgerte dagegen, dass die wichtigste Statistik, die nach Toren, einen Gleichstan­d aufwies. „Wir haben uns leider nicht ausreichen­d belohnt“, meckerte Linksverte­idiger Niko Gießelmann, „und das hätten wir heute tun müssen. In der Bundesliga werden wir wohl nicht so oft so viele gute Chancen kriegen.“

Funkel sah es insgesamt zwar positiver, merkte aber an: „Ich hab‘ erst mal überlegen müssen und mir dann gesagt: Lasst uns einfach zufrieden sein, am Ende ist jeder Punkt wichtig. Was mir besonders wichtig war, ist die Leistung der Mannschaft.“Dennoch kündigte er an, diese noch mehr als bisher an Kontern arbeiten zu lassen: „Wir setzen unser hohes Tempo noch nicht in Präzision um. Das klappt auch im Training nicht so gut, daran werden wir noch härter arbeiten.“Eine Drohung – auch für die Konkurrenz.

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FOTO: DPA Fortunas Adam Bodzek (blaues Trikot) stoppt Anastasios Donis.

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