Burghart Klaußners erster Roman
Pop-CD Diese Platte wurde lange vor Erscheinen so euphorisch begrüßt, dass man Angst bekommen konnte. Die französische Musikerin Heloise Letissier, die sich Christine And The Queens nennt, macht zwar Musik, die klingt, als sei sie in den 1980er Jahren entstanden. Aber sie singt dazu Texte, die aktuelle Gesellschaftsdiskurse aufgreifen: Gender, Gleichheit zwischen den Geschlechtern, Feminismus. Es durfte also nicht weniger als das Album zur Zeit erwartet werden. Letissier selbst bezeichnet sich als pansexuell, in Interviews zitiert sie die Strukturalisten, und seit ihrem letzten, sehr schönen Album „Chaleur Humaine“hat sie ihre Erscheinung verändert: Sie verwandelte sich in Chris, ein maskulines und muskulöses Alter Ego.
„Chris“heißt nun auch die neue Platte, die sowohl mit französischen als auch mit englischen Texten erscheint und auf anderthalb Stunden Spieldauer kommt. Die bange Frage, ob man bei so viel Theorie-Beflissenheit denn auch tanzen kann, beantwortet sich schnell – bei Lied zwei, um genau zu sein. Das heißt „Girlfriend“und Buch Es sind die letzten Tage des Zweiten Weltkrieges. Noch kann es gefährlich werden, bei den falschen Leuten nicht zu salutieren. In dieser wirren Zeit erhalten Fritz und Schultz den Auftrag, eine Geldkassette nach Berlin zu bringen – einmal quer durch die Stadt. Eine präzise, in warmem Ton erzählte Schelmengeschichte vom Ende des Krieges erzählt Burghart Klaußner in seinem ersten Roman „Vor dem Anfang“. Oft schon hat Klaußner als Schauspieler Figuren aus jener Zeit verkörpert. Doch er kann auch von ihnen erzählen, hat einen eigenen Ton gefunden, in dem man manchmal den Schauspieler zu hören meint, denn ein toller Hörbuch-Sprecher ist er ja auch. „Vor dem Anfang“spielt in der eigenartigen Atmosphäre eines verheerenden Krieges, der sich erschöpft hat, die Menschen aber noch lange nicht loslassen wird. Das macht Klaußner spürbar und nimmt den Leser am Ende mit auf eine waghalsige Segeltour über den Wannsee. dok ist ein glamour-goldenes Funk-Getüm, das etwas Daft-Punkiges hat. Diese Platte ist ein weiterer Beleg dafür, wie stark die frühen Alben von Janet Jackson von nachgeborenen Künstlern rezipiert werden. Es gibt einige Verweise auf die Produktion des Meisterwerks „Control“. Es geht in Letissiers Texten um die Freude an der und das Leid mit der Sexualität, um Männer und Frauen und die beste Weise, in dieser Welt geistig gesund zu blieben. Und ein bisschen erinnert „Chris“auch an Scritti Politti, die ja bereits vor 30 Jahren Dance und Derrida zusammengedacht haben. Neben der Handvoll toller Stücke gibt es indes einiges Mittelmäßiges zu hören. Christine & The Queens gehen die Melodien aus, und man sehnt sich nach einem weiteren Hit im Stile von „iT“vom Vorgängeralbum.
Philipp Holstein