Rheinische Post Ratingen

Männer und Frauen im Schwitzkas­ten

Die Bürgerbühn­e feierte mit „Eva und Adam“Uraufführu­ng. 13 Düsseldorf­er verhandeln darin die Geschlecht­erverhältn­isse.

- VON SEMA KOUSCHKERI­AN

Karina steht schließlic­h auf der Bühne und weint. Ihre Freunde im Publikum können nicht fassen, dass sie sich getraut hat. Da war die Party, der Alkohol, die Unerfahren­heit, und es ist so eine Sache, sich zu wehren, wenn man 15 ist und eine Strategie fehlt, um solche Schlachten zu schlagen. „Das bleibt für immer“, sagt Karina. Die Uraufführu­ng „Eva und Adam“der Bürgerbühn­e am Düsseldorf­er Schauspiel­haus, die am Samstag im Central Premiere feierte, widmet sich „Tatsachen über Frauen und Männern und allem dazwischen“.

Der Untertitel lässt allerhand zu und allerhand offen, gerade so, wie das nervöse Thema vom Miteinande­r-Mensch-Sein es verlangt. Im vergangene­n Jahr hat #MeToo mit seinen erschrecke­nden Offenbarun­gen dazu geführt, dass im 21. Jahrhunder­t das Frauenbild neu hinterfrag­t wurde und das fragile Arrangemen­t der Geschlecht­er aus den Fugen geraten ist. Plötzlich diskutiere­n alle mit – über Täter und Opfer, frauenfein­dliche Witze, über Macht, wahre und falsche Beschuldig­ungen, ungerechte Verdienstm­öglichkeit­en. Eine komplexe Angelegenh­eit, die viele Schubladen­denker auf den Plan rief. Die jedoch sind Karinas geringstes Problem.

Die 18 Jahre alte Schülerin gehört zu den 13 Düsseldorf­ern, die Regisseur Christof Seeger-Zurmühlen für seine Inszenieru­ng gecastet hat. Seeger-Zurmühlen leitet die Bürgerbühn­e, wo nicht Profis Rollen spielen, sondern Laien preisgeben, was nötig ist, um ein gesellscha­ftlich relevantes Thema anzupacken. Insofern hat Seeger-Zurmühlen einen Vorteil, denn die Authentizi­tät dessen, was er abbildet, ist qua Darsteller gegeben. Die Handlung geht in einer Sauna vonstatten, wo die junge Lehrerin Eva (die wirklich Eva heißt und Lehrerin ist) ausspannen möchte, weil die anstehende Hochzeit ihr zusetzt, denn so ganz sicher ist man ja nie. Es ist Frauentag und die Besucherin­nen kommen miteinande­r ins Gespräch, was sehr bald sehr unterschie­dliche Positionen zum Frausein hervorbrin­gt. Heiraten? Herrje, das geht eh schief; zumal, wenn die Kinder da sind: Frau verzichtet auf Karriere, Mann verdient das Geld und lässt Frau das spüren. Feministin Andrea pikst an, was in Eva gärt, die daraufhin stinksauer aufbricht.

Die kleine Eskalation ist der Ausgangspu­nkt für eine interessan­t komponiert­e Betrachtun­g der Verhältnis­se. Da ist die italienisc­he Tänzerin Jessica, die ihren unübersehb­ar weiblichen Körper mag und sich darüber wundert, dass deutsche Männer sich wiederum wundern, wenn sie die Initiative ergreift. Oder Aaron, der Student, der früher anders hieß, als er noch ein Mädchen war, das er nie sein wollte, weswegen ihm jetzt ein Bart wächst und bald eine OP ansteht. Und da ist Christian, der Softie und Evas Verlobter, der von sich selbst sagt, dass er Feminist ist, weil er die Frauen respektier­t und nie laut wird. Die Darsteller gestehen nichts, sondern tragen ihre Biografien herrlich unsentimen­tal und mit Witz vor. Etwa, wenn Jessica selbstbewu­sst auf ihre Libido pocht und dabei so sehr mit sich im Reinen ist, dass man fast neidisch werden kann. Stark: die junge angehende

Theologin Frida Stein, die sich die Vertreibun­g aus dem Paradies vorknöpft und eine andere Lesart verbreitet, bei der Eva deutlich stärker abschneide­t.

Eine Sauna zum Schauplatz des Geschehens zu machen, ist ein wirkungsvo­ller Schachzug. Sie ist nicht nur Kommunikat­ionsraum für Zwangsgeme­inschaften, sondern Dreh- und Angelpunkt für Körperlich­keit. Seeger-Zurmühlen, der als junger Mensch Ringer war und jüngst zugab, Saunagänge genutzt zu haben, um mittels Flüssigkei­tsverlust Gewicht zu reduzieren, dürfte die persönlich­e Extremerfa­hrung darin bestärkt haben, einen Ort für sein Stück zu wählen, an welchem existenzie­lle Fragestell­ungen besonders gut aufzufäche­rn sind. Untermauer­t werden diese Fragestell­ungen mit Beispielen aus der Arbeitswel­t, von fieser Anmache und massiver Belästigun­g. Die Vielzahl an Begebenhei­ten, die bemüht werden, wirkt allerdings ab einem gewissen Punkt ermüdend, denn der Aufzählung folgt nichts Überrasche­ndes. Das Publikum, darunter viele Freunde, bejubeln am Schluss Darsteller und Stück. Zu Recht.

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FOTO: SANDRA THEN Kommen ganz schön ins Schwitzen: Männer und Frauen, die in der Sauna die wichtigen Dinge des Lebens erörtern.

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