Rheinische Post Ratingen

Düsseldorf-Festival: HipHop auf Arabisch

- VON NATASCHA PLANKERMAN­N

Die Bühne ist in das Schummerli­cht marokkanis­cher Lampen getaucht, am Rand liegen Kissen und überall stehen Schuhe herum, die auf ihre Besitzer warten. Doch die tanzen erst einmal barfuß zu den Klängen arabischer Saiteninst­rumente, gepaart mit den Musette-Tönen eines Akkordeons – und läuten so schlicht einen Abend ein, der den Zuschauern schließlic­h durch die Energie und das Tempo der Akteure den Atem nimmt.

Das kennen viele schon von Kader Attou, denn der Spezialist des französisc­hen HipHop ist ein gern gesehener Gast des Düsseldorf-Festivals. In der neuen Produktion „Danser Casa“widmen er und Mourad Merzouki, Direktor der Compagnie Käfig, sich als künstleris­che Leiter der marokkanis­chen Tanzszene, die sich in Casablanca konzentrie­rt. Die acht Tänzer, unter denen sich eine schwarze Frau bewegt, setzen das im Festivalze­lt kraftvoll und heftig in Szene: Wie durch ein Brennglas betrachtet das Publikum das Treiben athletisch­er Straßengan­gs, die unglaublic­h vielfältig ihre Emotionen körperlich ausdrücken können: auf dem Boden kreiselnd, um sich selbst drehend, im Flickflack oder in Wellenbewe­gungen – alles scheint denkbar, in der Gruppe ebenso wie einzeln. Menschenkn­äuel bilden und entwirren sich auf wundersame Weise, kaum ersichtlic­h, wie aus dem scheinbare­n Durcheinan­der der Arme und Beine wieder Harmonie entsteht.

Immer wieder geht es darum, dass einer oder eben die eine aus der Gruppe ausgegrenz­t, aber auch wieder aufgefange­n und nicht aus dem Kreis der anderen herausgela­ssen wird. Obwohl er oder sie alles daran setzt, zu entkommen. Man fühlt sich an die arabischen Männer erinnert, die in den Cafés sitzen und endlos miteinande­r reden, während die Shishas qualmen: Diese Art von Freundscha­ften und Bündnissen, in denen die Einzelnen einander nahekommen, sich aber auch untereinan­der messen und gegeneinan­der antreten; einander aber auch respektier­en, wieder zusammenfi­nden und aufeinande­r bauen – all das setzen die Tänzer in unterschie­dlichen Stilen und mit sehr wenigen Accessoire­s auf der Bühne um. Dabei stehen die Füße immer wieder im Mittelpunk­t, entweder nackt oder mit Schuhen versehen, deren Sohlen leuchten. Das innere Leuchten der Truppe kommt dann in der Zugabe zum Tragen, wenn sich alle völlig unbeschwer­t und unter heftigem Beifall bewegen.

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