Miese Laune und „German Angst“
Eine Sorge anno 2018 ist, dass die Deutschen Schönwetter-Demokraten sind.
Eine junge Deutsche von 31 Jahren lebt seit Dezember 2017 in der australischen Millionenstadt Melbourne. Der Aufenthalt ist auf ein Jahr befristet. So ist die Rückkehr zwar absehbar; der Gedanke daran jedoch löst bei der jungen Frau eher Bangigkeit aus. Sie sagt es so: Heimweh nach Deutschland empfinde sie nicht. Im Gegenteil, sie habe ein bisschen Angst davor. Dort sei so viel Hass, Neid, Gereiztheit, im Übrigen bleibe ihr in Australien bei vergleichbarer Arbeit mehr Netto vom Brutto. Das Dilemma mit der frivolen Steuerlast ließe sich bei einer Bundesregierung, die das Adjektiv „bürgerlich“verdient, lösen. Aber wie steht es um die Stimmung in dem Land, dessen Befindlichkeit die „Neue Zürcher Zeitung“kürzlich als „toxisch, gewittrig, nervös und aggressiv“beschrieb und dessen (a)soziale Netzwerke nicht selten an Jauchekübel erinnern?
Was ist los bei uns, wo es einer kleinen Minderheit miserabel, einer schmalen Oberschicht formidabel, einer breiten Mittelschicht passabel geht, und wo fast alle mit öffentlich bekundeter schlechter Laune spendabel verfahren? Das Problemkind ist die Mittelschicht. 2008 schrieb die „Zeit“, wenn die Volksparteien nicht garantieren könnten, dass es der großen Mehrheit in zehn Jahren besser gehe, verwirkten sie ihre Legitimation. Wir müssten uns dann demokratisch ganz warm anziehen. Die Sorge ist anno 2018, dass die Deutschen Schönwetter-Demokraten sind und nicht so fest zur Demokratie stehen, wenn es konjunkturell durchs Dach tropft. Die politischen Krisengewinner lauern. Das ist wohl die ärgste Bilanz, wenn über die Ära Merkel geurteilt werden wird: dass das Land ungenügend auf magere Jahre vorbereitet wurde, dass es an mitreißendem Reformschwung mangelte. Die miese Laune, gespielt oder nicht, zeugt von Angst. „German Angst“darf nicht „Made in Germany“ersetzen.