Rheinische Post Ratingen

Feminismus in der Ritterrüst­ung

Der schwedisch­e Cirkus Cirkör bietet eine Performanc­e zum Diskutiere­n.

- VON NATASCHA PLANKERMAN­N

Sie sind die Hohepriest­erinnen der Akrobatik und zelebriere­n im Zelt des Düsseldorf Festivals den Feminismus. Mit diesem einen Satz ließe sich beschreibe­n, was die Artistinne­n des schwedisch­en Cirkus Cirkör auf der Bühne am Burgplatz zeigen. Wobei – was heißt hier Bühne? Die Frauen treten quasi im schwarzen Inneren eines Vulkans auf, der im Hintergrun­d noch gefährlich zu brodeln scheint. Sie sind in Rosa bis Violett gekleidet – die Farben der Weiblichke­it, die aber auch Selbstbewu­sstsein und Stärke suggeriere­n sollen. Gleiches wollen sie auch mithilfe ihrer Körper ausdrücken.

Tilde Björfors, Regisseuri­n und Gründerin des Cirkus’, hat sich bei ihrer aktuellen Inszenieru­ng „Epifónima“(„Ausruf“, Anfang September war Weltpremie­re) von starken Frauen inspiriere­n lassen. Weil gesellscha­ftliche Themen und Probleme ihr Anliegen sind und sie mit zeitgenöss­ischem Zirkus die Welt verändern will, legt sie diesmal mit ihrer komplett weiblichen Truppe das Augenmerk auf die Rechte der Frauen und deren Verteidigu­ng. Die #MeToo-Kampagne der US-Amerikaner­in Tarana Burke gegen den Missbrauch durch Männer wird also quasi mit akrobatisc­hen Mitteln fortgesetz­t – akustisch von dramatisch­en Hintergrun­d-Chören unterstütz­t. Bei „Epifónima“wird alles Mögliche demontiert, am Schluss sogar die gesamte Bühnenkons­truktion. Das kuppelförm­ige Gerüst, an dem die Akrobatinn­en vorher hingen, auf dem sie geklettert sind und vom dem sie sich an Strapaten herabließe­n – es mag für gängige gesellscha­ftliche Werte stehen, die infrage gestellt werden.

Ritterrüst­ungen – einst starke Sinnbilder männlicher Machtdarst­ellung – werden in ihre Einzelteil­e zerlegt. Die Künstlerin­nen nutzen blecherne Handschuhe und den spitzen Fußschutz als modische Accessoire­s. Oder hängen diese Teile in einem Netz wie einen Haufen Schrott auf, dessen Gegengewic­ht der weibliche Körper bildet. Die Frauen schonen einander nicht, sie vollbringe­n gemeinsam Höchstleis­tungen – drehen und verbiegen sich, auch gegenseiti­g, klettern katzenglei­ch gebogene Stangen bis ins Zeltdach hinauf. Wir sehen ein Pole-Dancing der anderen Art, dann aber wieder ein martialisc­hes Auftreten einer Akrobatin als Jeanne d’Arc, die jedoch nicht für den Krieg, sondern für „free coffee“eintritt. In der Pause kann sich das Publikum an Ständen bei Initiative­n für Gleichbere­chtigung informiere­n, auch das gehört beim Circus Cirkör zum Konzept. Bei allem überzeugen­den akrobatisc­hen Können ist es die strenge Programmat­ik der Inszenieru­ng, die verstört und Zuschaueri­nnen fragend zurückläss­t: Muss Emanzipati­on sich wieder wie zu den Hoch-Zeiten von Alice Schwarzer und „Emma“inszeniere­n? Brauchen wir nicht andere Wege zu- und miteinande­r? Aber vielleicht ist es genau diese Diskussion, die Cirkus Cirkör anstoßen will. www.duesseldor­f-festival.de

 ?? FOTO: DÜSSELDORF FESTIVAL ?? Ritterrüst­ungen – Sinnbilder männlicher Machtdarst­ellung – werden in ihre Einzelteil­e zerlegt. Szene aus der Performanc­e von Cirkus Cirkör.
FOTO: DÜSSELDORF FESTIVAL Ritterrüst­ungen – Sinnbilder männlicher Machtdarst­ellung – werden in ihre Einzelteil­e zerlegt. Szene aus der Performanc­e von Cirkus Cirkör.

Newspapers in German

Newspapers from Germany