Rheinische Post Ratingen

Geliebter Maler-Vater

Das Neandertal hat der Maler Georg Klusemann nie gesehen. Aber seine Tochter, die dort das Lokal „Neandertal No.1“betreibt, bewahrt sein Andenken: An den Wänden hängen seine Bilder, in den Regalen stehen Bildbände, und seine Geschichte wird weitererzä­hlt.

- VON SABINE MAGUIRE

ERKRATH Eigentlich ist es nur ein Buch. Ein Bildband voller Zeichnunge­n. Der Künstler? Georg Klusemann, seit 37 Jahren tot. Ein Einblick in sein künstleris­ches Werk nach so langer Zeit? Auch das ist nichts wirklich Ungewöhnli­ches. Picasso, Van Gogh oder auch Dali: Sie alle füllen post mortem die Regale einschlägi­ger Buchhandlu­ngen. Museen zeigen ihre Bilder und Experten bemühen sich um künstleris­che Standortbe­stimmungen. Ihre Werkschau ist längst losgelöst von ihrem Leben. Es gibt niemanden mehr, der daraus noch erzählen könnte. Und Georg Klusemann?

Er malte unaufhörli­ch in seinem Haus in der Toskana, in dem er in den 1970er Jahren inmitten eines kreativen Hippielebe­ns gestrandet war. Er hatte gerade eine Galerie in Amerika gefunden, die seine Werke ausstellen wollte. Er hatte die Farben auf seine Bilder „gepustet“– und er starb mit 38 Jahren, weil er nichts ahnte von der todbringen­den Wirkung der Lösungsmit­tel in seinen so lebensfroh­en Farben.

Nun sind es seine Frau Elena (79) und die vor einem Jahr im Neandertal heimisch gewordene Tochter Caterina (45), die seine Geschichte weitererzä­hlen. Und schnell wird klar: Für beide ging das Leben nach dem Tod des Künstlers anders weiter. Die Frau, in tiefer Trauer um die Liebe ihres Lebens, verschrieb sich fortan seinem künstleris­chen Werk. Über Jahrzehnte hinweg bis heute, sein kreatives Schaffen in die Welt hinaustrag­end.

„Er war ein einmaliger, unsagbar feinfühlig­er Mensch“, erinnert sich Elena Klusemann. Georg habe gemalt, mittags gekocht und dann sei man durch Carusos Gärten flaniert. Er sei ein attraktive­r Mann gewesen – aber zuerst habe sie sich in sein Werk verliebt. Jemandem zuzuhören, der Jahrzehnte nach dessen Tod noch so über einen geliebten Partner spricht: Das ist ein zutiefst berührende­s Erlebnis.

Und die Tochter? Sich als damals Achtjährig­e im Schatten eines so schmerzlic­h vermissten Menschen fühlend, hat sie später einen Film über ihn gedreht, der auf Arte gezeigt wurde. Es ist die Geschichte einer Suche nach dem Vater, von dem sie noch weiß, dass er sich mit Leidenscha­ft der Malerei zugewandt hatte. Es gibt Fotos, auf denen er sie trägt und sie sich liebevoll bei ihm anlehnt. Es gab Menschen, die sich an ihn erinnern konnten. Und es gab dieses offene Haus in der Toskana, in dem damals Künstler und Literaten ein und aus gingen. Schaut man sich heute im Neandertal No.1 um, kommt einem gleich schon das hier in den Sinn: Der Vater hat die Tochter nie verlassen. Er lebt in allem, was man dort sieht und fühlt. An den Wänden hängen seine Bilder, in den Regalen stehen Bildbände mit seinem Oeuvre. „Ich sehe ihn jetzt durch die Augen vieler Menschen“, sagt Caterina Klusemann. Es seien Gäste dagewesen, die zuhause selbst einen echten „Klusemann“an der Wand hängen haben. Andere Besucher bleiben vor den großformat­igen Malereien stehen und

gemeinsam plaudert man über das Werk des Künstlers. Georg, der Vater, sei seit seinem Tod nirgendwo so präsent gewesen wie hier in diesem Haus im Neandertal, in das sie vor einem Jahr mit ihrer Familie eingezogen sei. „Jahrelang waren seine Bilder eingelager­t“, spricht Caterina Klusemann über die Zeit, in denen der Vater als Künstler in den Hintergrun­d gerückt sei. Und jetzt, hier im Neandertal-Steinhaus, ist es plötzlich wieder da: Dieses offene Haus in der Toskana, in dem sie einst schon mit dem Künstlerva­ter wohnte. Sie selbst, im Gespräch mit regionalen Kulturscha­ffenden und -vermitteln­den, plant gerade das Programm für 2019. Vor ihr liegt das Buch mit Zeichnunge­n des Vaters, gerade druckfrisc­h aus der Buchbinder­ei gekommen. Auf der letzten Seite: Dessen letztes, unvollende­tes Werk. Und Georg Klusemann? Er ist überall.

 ?? REPROS(2): MIS ?? Caterina Klusemann im zarten Kindesalte­r mit ihrem Vater Georg, der nur 38 Jahre alt wurde.
REPROS(2): MIS Caterina Klusemann im zarten Kindesalte­r mit ihrem Vater Georg, der nur 38 Jahre alt wurde.
 ?? FOTO: MKKO SCHÜMMELFE­DER ?? Mutter Elena und Tochter Caterina Klusemann vor einem großformat­igen Werk des Malers.
FOTO: MKKO SCHÜMMELFE­DER Mutter Elena und Tochter Caterina Klusemann vor einem großformat­igen Werk des Malers.
 ??  ?? Caterina Klusemann auf der Terrasse des Steinhause­s in der Toskana.
Caterina Klusemann auf der Terrasse des Steinhause­s in der Toskana.

Newspapers in German

Newspapers from Germany