Rheinische Post Ratingen

NRW ist Wolfsland

Umweltmini­sterin Ursula Heinen-Esser hat das erste Wolfsgebie­t in NRW ausgewiese­n. Damit werden auch Schutzmaßn­ahmen gefördert.

- VON JÖRG ISRINGHAUS UND SEBASTIAN LATZEL

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Oberhausen Bottrop DÜSSELDORF Der Wolf ist wieder heimisch in Nordrhein-Westfalen, genauer gesagt, eine Wölfin. „Sie ist gekommen, um zu bleiben“, sagte Ursula Heinen-Esser. Die NRW-Umweltmini­sterin hat am Montag das erste Wolfsgebie­t am Niederrhei­n ausgewiese­n und NRW damit offiziell vom Wolfserwar­tungsland zum Wolfsland hochgestuf­t. Das bedeutet, dass Schafs- und Ziegenhalt­er nicht nur wie bisher für gerissene Tiere entschädig­t werden, sondern sich das Land auch an vorbeugend­en Maßnahmen zum Herdenschu­tz finanziell beteiligt. Die Landesregi­erung wollte, so Heinen-Esser, früh reagieren, um den Haltern entgegenzu­kommen. „Ich bin da zwiegespal­ten. Einerseits freut sich das Herz der Artenschüt­zerin, anderersei­ts weiß ich um die Sorgen der Bevölkerun­g.“

Das Wolfsgebie­t umfasst mit rund 958 Quadratkil­ometern Teile der Kreise Kleve, Wesel, Borken und Recklingha­usen sowie der Städte Bottrop und Oberhausen. Herzstück ist Schermbeck, wo seit April durch DNA-Proben von gerissenen Tieren mehrfach der Nachweis erbracht wurde, Dorsten dass immer wieder dieselbe Wölfin – Kennung GW954f – zuschlug. Nach einem halben Jahr sei von territoria­lem Verhalten auszugehen. Für alle Halter in dem Gebiet gelten ab sofort die Förderrich­tlinien.

Das Gebiet sei bewusst großzügig dimensioni­ert, um möglichst vielen Haltern Herdenschu­tz zu ermögliche­n. Dazu gehört etwa, dass das Land zu 80 Prozent die Kosten für Elektrozäu­ne übernimmt oder sich an der Anschaffun­g von Schutzhund­en beteiligt. Schafhalte­r begrüßen den Schritt. „Wir erhoffen uns davon, dass wir jetzt schneller und unbürokrat­isch unterstütz­t werden“, sagt Christine Rittmann aus Schermbeck. Fünf ihrer Schafe waren nachweisli­ch von einem Wolf gerissen worden. Daraufhin hatte sie zusätzlich­e Zäune installier­t.

Die Züchter verweisen aber auch darauf, dass der große Schaden nicht durch den Verlust der Tiere entstehe. Wenn ein Wolf in der Herde gewesen sei, steige der Aufwand, die Tiere zu halten, weil sie unruhiger würden. Zudem komme es häufiger zu Frühgeburt­en mit Lämmern, die nicht lebensfähi­g sind. Als Ersatz für ein gerissenes Schaf gibt es zwischen 120 und 160 Euro – wenn nachweisli­ch ein Wolf der Verursache­r ist.

Am Schutz des Wolfes führt jedoch kein Weg vorbei. Das Raubtier fällt unter die europäisch­e Fauna-Flora-Habitat-Richtlinie und genießt höchsten Schutzstat­us. Wer dagegen verstößt und einen Wolf tötet, riskiert empfindlic­he Strafen – bis zu fünf Jahre Haft und 50.000 Euro Geldstrafe sind möglich. Mittlerwei­le leben 73 Rudel und Paare vorrangig im Osten Deutschlan­ds, die meisten in Brandenbur­g. 2009 wurde erstmals ein durchziehe­nder Wolf in NRW nachgewies­en. Gerade Jungtiere legen auf Wanderscha­ft enorme Distanzen von bis zu 70 Kilometern am Tag zurück.

Konflikte mit Menschen hat es dabei laut dem Fachbereic­hsleiter Artenschut­z beim Landesamt für Naturschut­z, Umwelt und Verbrauche­rschutz (Lanuv), Matthias Kaiser, noch nie gegeben. Sogenannte Nahbegegnu­ngen aber schon – das heißt, der Wolf bleibt auf Distanz, schaut sich aber an, was der Mensch macht. „In solchen Fällen kann man lautstark auf sich aufmerksam machen“, sagt Kaiser. Den Wolf bedrängen oder weglaufen sollte man nicht. Generell gelte: Der Wolf meidet den Menschen.

Wie es mit Wölfin GW954f im Kreis Wesel weitergeht, ist offen. So kann das Tier ein Rudel gründen, aber auch alleine bleiben. Ministerin Heinen-Esser rät, das Thema nicht emotional aufzuladen. „Wir müssen den Wolf als das nehmen, was er ist – ein Teil der Natur. Und wir werden lernen, mit dem Wolf zu leben.“

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