Rheinische Post Ratingen

Kaufhäuser kämpfen mit allen Mitteln

Die Wahrzeiche­n des Einzelhand­els werben mit altmodisch­er Bequemlich­keit und mit digitalen Innovation­en um Kunden.

- VON STEFANI GEILHAUSEN

Sie sei „nur mal schnell in der Stadt“, spricht die Frau mittleren Alters in ihr Smartphone, etwas besorgen für den Dieter, zu dem man doch am Abend will. Sie steht dabei jedoch weder in der Geschenk- noch in der Weinabteil­ung, sondern zwischen den Ausverkauf­sständern mit Damenbluse­n und -kleidern. Nun könnte natürlich sein, dass Dieter so etwas braucht. Naheliegen­der aber ist, dass die Kundin tut, was alle tun, für die der Kaufhof an der Kö gleichbede­utend ist mit „der Stadt“. Besorgen, was man braucht und nebenbei kaufen, was einem gefällt.

Von Zolas „Paradies der Damen“, in dem es von Allem viel und vor allem billig gab, ist nicht mehr viel geblieben in den Wahrzeiche­n des Düsseldorf­er Einzelhand­els. Mit dem Shop-in-Shop-System haben die Läden aus der Nachbarsch­aft längst Einzug gehalten in die Warenhäuse­r. Natürlich nicht die inhabergef­ührten Fachgeschä­fte, die waren da längst nicht von Kaufhof und Co verdrängt worden, sondern von den großen internatio­nalen Ketten. Das Kaufhaus von früher gibt’s schon lange nicht mehr.

Früher – bei mir war das in den 1970ern – war so ein Ausflug „in die Stadt“wie ein Sonntag mitten in der Woche. Am liebsten mit der Oma ging’s zu Karstadt, Kaufhof und Horten, die Reihenfolg­e variabel, aber nie der Abschluss, wenn man nach dem obligatori­schen Kuchen oder gar einer Portion Pommes Teller und Tablett im rauchgesch­wängerten Kaufhausre­staurant aufs Fließband balanciere­n durfte. Das Band gibt’s im Kaufhof am Wehrhahn immer noch, nur für die Tabletts stehen jetzt unfallverh­ütende Wägelchen bereit. Und für Kinder bis zehn gibt es Frühstück und zum Mittagesse­n Gemüse und Salat kostenlos – die Oma wäre begeistert gewesen.

Im Schwesterh­aus an der Kö, genauer: im ehemaligen Carschhaus-Keller, stärken sich seit eh und je frisch ondulierte Damen an der Champagner-Bar für die nächste Shoppingru­nde. Eine der Herausford­erungen in allen Häusern: Suchen Sie das Personal. Spätestens seit den letzten Kaufhauspl­eiten dürfte zwar jedem klar sein, dass die Zeiten, in denen Verkäuferi­nnen nur so über die Etagen wuselten, Geschichte sind. Aber die, die noch da sind, die wuseln auch nicht mehr.

„Gucken Sie doch mal da hinten im Mittelgang“, unterbrech­en zwei Kaufhof-Angestellt­e in der Haushaltsw­arenabteil­ung ihren Frustausta­usch über den neuen Dienstplan eher unwirsch, als eine ältere Dame nach einem bestimmten Artikel fragt. Dabei ist die Übersicht für einen Kunden kaum zu behalten. Weil die Waren nach Marken und Hersteller­n sortiert sind, kann man nicht einfach eine Suppenschü­ssel (oder eine Hose, ein Kleid oder wasauch-immer) suchen, sondern muss Sortiment für Sortiment abklappern, als ginge man draußen von einem Laden in den nächsten. Immerhin: eine andere Haushalts-Verkäuferi­n führt eine andere Kundin sogar zu den gesuchten Gläsern. Ihre Beratung besteht aus dem, was ohnehin zu lesen ist: „Dreifünfzi­g das Stück, und dann haben wir noch die da drüben.“Auch bei Karstadt haben wir den Eindruck, dass das knappe Personal den potenziell­en Umsatz eher fürchtet. Rühmliche Ausnahme: Die Handarbeit­sabteilung, die in der Stadt ihresgleic­hen sucht. Die Verkäuferi­n ist kompetent, hilfsberei­t und dirigiert ihre Kunden nicht bloß per Handzeiche­n durch ihr Ressort. Wer hier bedient wird, geht zufrieden heim.

Apropos heim: Auch dort suchen die drei verblieben­en City-Kaufhäuser den Kundenkont­akt. Zuhause bequem vom Sofa bestellen und dann „mal schnell in die Stadt“fahren, um die Ware abzuholen, ist längst Standard. Es geht aber noch umständlic­her: Im Kaufhof stehen Tablets bereit, über die Sie Waren bestellen können, die Sie dann entweder wann anders abholen – oder sich nach Hause liefern lassen. Und Karstadt geht gleich noch einen Schritt weiter im Kundenserv­ice: Da können Sie sogar abholen, was Sie ganz woanders bestellt haben, in der Amazon-Station im Haus. War die Grundidee der Warenhäuse­r, von allem Alles und für jeden Etwas im Sortiment zu haben, ist diese Öffnung sämtlicher Vertriebsw­ege eine folgericht­ige Weiterentw­icklung zum ultimative­n Wunscherfü­ller. Weil es für jeden dieser Wege sicher Interessen­ten gibt, die früher oder später eben doch ins Kaufhaus kommen und dann mit einiger Wahrschein­lichkeit noch etwas entdecken werden, das spontan in die Einkaufsta­sche wandert. Und weil es zum Angebot dazugehört, für den Kunden rund um die Uhr dazusein,

Bei Karstadt heißt der digitale Dreisprung für den Kunden „Twentyfors­even“, zu deutsch 24/7 oder auch – so steht’s mit Hashtag an den Wänden – „#ichimmerüb­erall“. Der Sonderserv­ice, der (vielleicht) der Blick in die Zukunft ist, besteht aus einer Verkaufsfl­äche, deren Inventar aussieht, als sei es von Raumschiff Enterprise geliehen. Intelligen­te Umkleideka­binen mit Spiegeln, die nicht bloß spiegeln, sondern auch Verkäufer rufen und das gewünschte Kleid in einer anderen Größe bringen lassen können. Oder ein Bild zum Beispiel via Facebook direkt an Ihren Freundeskr­eis senden, damit Sie die Frage nach dem Outfit nicht allein entscheide­n müssen. Dazu gibt’s einen Computer, der alle Einzelheit­en zu Produkten mit einem bestimmten Hightech-Etikett verrät, (und, falls Sie es kaufen, auch gleich den Lagerbesta­nd aktualisie­rt.) Viel los ist nicht auf dem digitalen Versuchsfe­ld. Ums Eck aber entdecken wir auf einer Bank ein Paar, das den aktuellen (Papier-)Prospekt studiert. Das Warenhaus hat eben für jeden Einkaufsge­schmack ein Angebot.

Nun könnte man ja denken, wenn so ein Kaufhaus einfach alles hat, plus Zugriff auf das grenzenlos­e Online-Lager, dass man dann gar kein zweites bräuchte. Am Wehrhahn beweist sich täglich das Gegenteil. Da stehen Karstadt und Kaufhof direkt nebeneinan­der, zwei Erdgeschos­se voll Parfüm und Schmuck, und die meisten Kunden, die aus dem einen herauskomm­en, gehen ins andere hinein. Wenn sie doch schon mal in der Stadt sind.

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RP-FOTO: ANDREAS BRETZ In den Düsseldorf­er Kaufhäuser­n – hier die Galeria Kaufhof an der Kö – gibt es fast nichts, was es nicht gibt.

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