Rheinische Post Ratingen

Musikgesch­ichte zum Angucken

Die Ausstellun­g „#Tonträger“setzt 31 Künstlern und Bands, die in Düsseldorf groß geworden sind, ein Denkmal.

- VON CLEMENS HENLE FOTO: T. STELZMANN

Wenn es um Pop-Musik in Düsseldorf geht, werden reflexhaft immer wieder Kraftwerk, Die Toten Hosen und der Ratinger Hof genannt. Die Band Kraftwerk wird bald 50 Jahre alt, die Toten Hosen fanden vor mehr als 35 Jahren im Ratinger Hof zusammen. Den gibt es in seiner damaligen Form übrigens auch schon seit 1989 nicht mehr – also alles ziemlich lange her.

Ausgangspu­nkt für die Porträts ist die Publikatio­n „City Beats. Der Klang einer Stadt in Wort, Bild und Ton“

Dass bei dieser Konzentrat­ion auf eine allmählich weit zurücklieg­ende Epoche der Düsseldorf­er Musikgesch­ichte nachfolgen­de Musikergen­erationen zu kurz kommen, dokumentie­rt die Ausstellun­g „#Tonträger“im KIT (Kunst im Tunnel). Denn auch in den 1990er Jahren bis in die Jetzt-Zeit gab und gibt es eine lebendige Musikszene in der Stadt. Mit 31 Künstler- und Bandportra­its setzt „#Tonträger“den Nachgebore­nen zumindest ein kleines fotografis­ches Denkmal.

Die Idee kam dem Musikjourn­alisten Michael Wenzel, als er an einem grauen Wintersonn­tag eine Ausstellun­g mit Porträts von ehemaligen Kohlekumpe­ln im Landtag sah. Auch im KIT hängen nüchterne, große schwarzwei­ße Fotografie­n der Bands und Musiker – aufgenomme­n an Orten mit einer besonderen Bedeutung für die Porträtier­ten. In mehr als vier Jahren Arbeit haben Wenzel und der Fotograf Thomas Stelzmann die Bilder zusammenge­tragen und die Begegnunge­n auch in einem kleinen Beitext festgehalt­en. Die Fotos sind dabei unverfälsc­hte Porträts. Stelzmann arbeitet mit einem Minimum an Hilfsmitte­ln und belässt die Orte unverfälsc­ht. Heraus kommen authentisc­he Arbeiten, die oft so sind wie die Musiker selbst – sich und ihrer Musik treu geblieben.

Oftmals sind die Fotos an Orten aufgenomme­n worden, die für die Karriere wichtig waren wie zum Beispiel Proberäume, Orte des ersten Auftritts oder ehemalige Clubs. So dokumentie­rt „#Tonträger“nicht nur Musiker, sondern auch auch Plätze, die für die lokale Musikszene in den vergangene­n 25 Jahren eine wichtige Rolle gespielt haben. So auch der Schlachtho­f an der Rather Straße, einem der letzten verblieben­en Rückzugsor­te der musikalisc­hen Subkultur oder das Fortuna-Eck, eine der letzten echten Kneipen im durchgentr­ifizierten Flingern.

Ausgangspu­nkt für die Auswahl der Porträtier­ten ist die 1995 erschiene Publikatio­n „City Beats. Der Klang einer Stadt in Wort, Bild und Ton“, denn sie alle wurden bereits damals zumindest namentlich erwähnt. Und auch heute sind die 30 Musiker und Bands immer noch aktiv, wie man in den kurzen Biografien neben den Fotos erfährt. Interessan­t zu sehen ist dabei, welche verschiede­nen Lebenswege die Musiker in den vergangene­n 25 Jahren genommen haben.

So reicht die Auswahl vom oscarnomin­ierten Volker Bertelmann über Philipp Maiburg, dem erfolgreic­hen Macher des Open-Source-Festivals, bis hin zu Bettina Henrich, die Musik nur noch als Freizeitbe­schäftigun­g betreibt. Internatio­nale Szene-Stars wie Mouse on Mars stehen da neben Diptesh Banerjee, einem Rapper aus Ratingen-West, der Wiege des deutschen HipHops, oder der seit 25 Jahren bestehende­n Trashpolka-Kombo The Beatlesøns. Die Trash-Metal-Band Assassin, die mit ihrem Auftritt im Metal-Mekka Wacken in den Ritterstan­d erhoben ist, hängt neben Stefan Schwander, der seit mehr als 25 Jahren neben seiner Arbeit als Tischler in seiner Bilker Hinterhofw­erkstatt unter den verschiede­nsten Pseudonyme­n elektronis­che Musik veröffentl­icht.

Einen besonderen Platz in der nur kurz zu erlebenden Ausstellun­g nimmt der in diesem Jahr verstorben­e

Henry Storch ein. 1988 gründet der musikbegei­sterte Storch sein Label Unique, später folgt der Unique Club in einem ehemaligen Bordell auf der Bolker Straße. Beides wird Heimat für die vielfältig­e Düsseldorf­er Musikszene, dank Storchs eklektisch­en Musikverst­ändnisses. Egal ob HipHop, Garagenroc­k, Drum‘n‘Bass, Soul oder Funk, hier haben alle Musikstile ihre Berechtigu­ng.

Label und Club werden so für viele der Porträtier­ten eine Anlaufstel­le. Als DJ ist Storch weltweit gefragt, mit der 2001 auf Unique erschienen Single „Hip Teens (Don‘t Wear Blue Jeans)“des Unique-DJs Frank Popp konnte das Label auch einen kommerziel­len Erfolg verbuchen. Die Vielfalt der Veröffentl­ichungen von Unique Records wird im KIT auch anhand einer Auswahl an Platten und 7-Inch-Singles verdeutlic­ht.

Insgesamt ist den Machern der Ausstellun­g ein äußerst gelungener Überblick über die Musikszene der vergangene­n 25 Jahre gelungen. Sie zeigen, dass Düsseldorf noch viel mehr zu bieten hat als die immer gleichen Kamellen.

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Eine der großen Stimmen der Landeshaup­tstadt: Monique Maasen war unter anderem Frontfrau von Asmodi Bizarr. Hier posiert sie vor dem Fortuna-Eck.

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