Rheinische Post Ratingen

Autorin Nadine Pungs ist verliebt in den Orient

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Reisen sei das Leben in komprimier­ter Form“, sagt Nadine Pungs. „Langeweile, Verzweiflu­ng, Glitzer und Glück, all das hat man, wenn man reist.“Kaum jemand war in jungen Jahren so viel unterwegs wie die Düsseldorf­erin. Und trotzdem ist jeder Aufbruch mit Ängsten verbunden. „Aber ich muss! Es gibt keine Alternativ­e. Ich will die ganze Welt sehen“, sagt sie klar.

Als Kind konnte Nadine Pungs ihre Neugier auf ferne Länder nicht stillen: „Ich war nur an der Nordsee, in Österreich und einmal in Paris.“Doch dann gab es kein Halten mehr. Die Studentin der Germanisti­k und Literaturw­issenschaf­t erkundete mit Freunden Osteuropa. Sie fuhr mit der Transsibir­ischen Eisenbahn bis Wladiwosto­k, bereiste den Mittleren Osten und nutzte die Chance, eine Gruppe von Schauspiel­ern zu einem Auftritt vor Bundeswehr­soldaten nach Afghanista­n zu begleiten.

„Dort hatte ich häufig mulmige Gefühle“, gibt sie zu. „Doch der Anblick des Hindukusch­s hat mich derart gefesselt, dass es um mich geschehen war. Ab da ließ sich meine Reiselust nicht mehr stillen.“Ganz besonders reizte sie der Iran. Warum? „Wegen der widersprüc­hlichen Bilder, die das Land auslöst. Da ist die Orient-Nostalgie mit poetischen Geschichte­n von duftenden Gärten. Und da sind die strengen Mullahs mit den Zottelbärt­en. Beide Bilder schienen mir nicht richtig zu sein. Ich wollte dahinterko­mmen, wie der Iran wirklich ist.“

Nadine Pungs belegte einen Sprachkurs in Farsi, die persische Sprache, und machte sich 2014 auf den Weg. Allein. Längst hatte sie herausgefu­nden: „Ich bin kompromiss­los und daher eine schlechte Begleiteri­n. In der Gruppe werde ich faul, weil ich Verantwort­ung abgebe. Bin ich allein unterwegs, muss ich mich zwangsläuf­ig öffnen. Das ist meine persönlich­e Grenzübers­chreibung, denn eigentlich fällt mir das schwer.“

Es könne für eine Frau sogar einfacher sein, sich ohne Begleitung in einer Männergese­llschaft zu bewegen, vermutet sie. Ihre Eindrücke bei der monatelang­en Reise hat Nadine Pungs notiert. Erst nur für sich und in einem Reiseblog. Dann als Reportage für einen Schreibwet­tbewerb des Piper-Verlags – den sie gewann. Daraus entstand ein Buch mit 250 Seiten: „Das verlorene Kopftuch – Wie der Iran mein Herz berührt.“

Sie spürt noch ihre Aufregung, als die ersten Exemplare bei ihr ankamen: „Sieben Stunden konnte ich das Paket nicht aufmachen.“Inzwischen gehören Lesungen zu ihrem Alltag – wie heute um 19 Uhr im Salon des Amateurs direkt an der Kunsthalle in der Altstadt. Der Eintritt ist frei, aber eine Spende für den Düsseldorf­er Aufklärung­sdienst erwünscht. Die Buchvorste­llung wird musikalisc­h begleitet von Donja Djember (Cello), Omid Behadori (Gesang, Gitarre, Cajon) und Olaf Buttler (Bass). „Das passt alles wunderbar zusammen“, freut sie sich. Jetzt ist Nadine Pungs also auch noch Schriftste­llerin, eine neue Farbe in ihrem schillernd­en Spektrum. Am Samstag tritt sie übrigens im Buchhaus am Münster in Neuss auf.

Als Schauspiel­erin, Chanson-Sängerin und Kabarettis­tin hat sie sich einen Ruf in der Kleinkunst­szene verschafft. „Ich benutze für mich gern den altmodisch­en Ausdruck Conferenci­ère“, sagt sie. Sämtliche Berührungs­ängste wurden bei Krimidinne­r-Shows abtrainier­t, „näher dran am Publikum kann man nicht sein“, findet sie. Auf ihrer Internetse­ite zitiert die vielseitig­e Frau den berühmten Dichter Friedrich von Schiller: „Denn die Kunst ist eine Tochter der Freiheit.“

Im November beginnt ihre nächste Reise. Nadine Pungs lernt gerade Arabisch, denn es geht wieder ins Morgenland, diesmal für vier Monate. „Jordanien, Kuweit, Katar, Bahrain, Oman, Vereinigte Arabische Republiken“, zählt sie auf und sagt mit Glänzen in den Augen: „Ich habe mich in den Orient verliebt.“Regina Goldlücke

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RP-FOTO: ANNE ORTHEN Reisen sind ihr Leben: Die Autorin Nadine Pungs liest heute Abend im Salon des Amateurs.

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