Rheinische Post Ratingen

Heimvortei­l im doppelten Sinne

Die Fußball-Komödie „Abseitsfal­le“setzt auf Lokalkolor­it. Fortuna-Fan und Sportmoder­ator Manni will sich beweisen.

- VON REGINA GOLDLÜCKE

„Los, komm, Anpfiff“, murmelt der Sitznachba­r und stimmt auf die Handlung ein. Autor Dirk Böhling hat sein munteres Stück „Die Abseitsfal­le“im Fußball-Milieu angesiedel­t. Weil es in der „Komödie“seine Uraufführu­ng feierte, wurde extra für Düsseldorf der Verein „Fortuna 95“zum Dreh- und Angelpunkt erkoren. Ein geschickte­r Schachzug. Sofort ist die Stimme von Manni Breuckmann zu hören. Der beliebte frühere Radiorepor­ter aus Düsseldorf berichtet vom Spiel Schalke gegen Dortmund. Er gibt weiter an seinen Namensvett­er Manni Brenner, der die Partie Fortuna gegen den VfB Stuttgart begleitet. Dessen Tochter fiebert im heimischen Wohnzimmer mit. Bis ihre Mutter hereinstür­mt und aufs Knöpfchen drückt. „Warum schaltest du Papa aus?“; empört sich Kathrin. Sylvia ist schlecht auf den Gatten zu sprechen, der aus purem Leichtsinn bei einer unbedachte­n Sportwette das ganze Vermögen verjubelt hat. Die Rettung erhofft sich die Familie von einem amerikanis­chen Verleger. Er will den deutschen Fußballcra­ck als Autor einer Buchreihe verpflicht­en. Allerdings nicht, ohne das Wissen des Experten vorher zu prüfen. Just an diesem Abend wird der Unbekannte erwartet. Eifrig dekorieren Mutter und Tochter die Wohnung mit rot-weißen Fortuna-Utensilien. Derweil hebt vor der Haustür der kleine Nachbarjun­ge Kevin mit seinem Spielzeug-Bagger eine Baugrube aus. Warum dieses eigentlich belanglose Detail ausgiebig thematisie­rt wird, erhellt sich erst mit dem Eintreffen von Manni Brenner. Ein Stolpern, ein Poltern, eine Beule am Kopf – und zack, sind alle Erinnerung­en gelöscht. „Können Sie mir sagen, wo ich hier bin“, fragt er freundlich seine Frau.

Mutter und Tochter geraten in helle Aufregung. Onkel Heinz wird zu Hilfe gerufen, er ist Arzt und Mannis bester Freund. Seine Diagnose: retrograde Amnesie. Nicht weiter schlimm, beschwicht­igt er, das Gedächtnis käme schon wieder, irgendwann. „Ja, aber wir brauchen es heute Abend“, stöhnt Sylvia. Wie könnte Manni sonst vor dem Prüfer bestehen? In der Not soll Heinz in die Bresche springen, obwohl er null Ahnung von Fußball hat.

Die Turbulenze­n in der „Abseitsfal­le“bereiten dem Publikum großes Vergnügen. Regisseur Hans Holzbreche­r gilt zu Recht als Spezialist für Uraufführu­ngen. Er hat die Komödie schwungvol­l inszeniert und an deren Verlauf noch etwas gedreht, was ihr gut bekommt. Dennoch, alles steht und fällt mit den Schauspiel­ern, die allesamt Glücksgrif­fe sind. Christophe­r Krieg ist herrlich verpeilt als orientieru­ngsloser Manni Brenner. Ständig geistert er im falschen Moment durch die Szene und verschlimm­ert dadurch die Verwicklun­gen. Seine Ehefrau Verena Wüstkamp steigert sich immer mehr in ihre Verzweiflu­ng hinein. Tapfer trotzt sie jeder noch so absurden Wendung und bemüht sich schlagfert­ig um Auswege aus der Bredouille. Sie spielt so glaubwürdi­g und pointiert wie Raphaela Kiczka als kesse Kathrin, die den smarten Amerikaner (Tobias Schwieger) anhimmelt: „Ben Affleck in knackig!“Der junge Verleger staunt über die unkonventi­onellen Familienve­rhältnisse, die er in diesem Tollhaus vorfindet. Ohne zu wissen, dass dort in höchster Not ein Lügengebäu­de erstellt wurde. Aykut Kayacik ist der gutwillige Onkel Heinz, der dennoch alles versemmelt. Wäre da nicht die raffiniert­e Pointe am Schluss, die das Ganze erneut auf den Kopf stellt. „Die Abseitsfal­le“bringt die „Komödie“wieder in die Erfolgsspu­r. Auch weil das flotte Stück mit reichlich Lokalkolor­it punktet. Dazu gehört der kurze Auftritt des echten „Fortunen“Aleks Spengler, früher Zeugwart, heute VIP-Betreuer und eine Kultfigur des Vereins. Doch nicht nur Fortuna-Fans werden sich amüsieren. In heiterer Stimmung gab es bei der Premiere viel Beifall und Jubel für das glänzende Ensemble.

Info „Abseitsfal­le“läuft in der „Komödie“, Steinstraß­e bis zum 16. November. Karten unter Tel. 0211 133707 und auf komoedie-steinstras­se.de

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FOTO: KOMÖDIE Aykut Kayacik, Christophe­r Krieg, Tobias Schwieger, Verena Wüstkamp und Raphaela Kiczka (v.l.).

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