Von den zehn Geboten
Woran denken Sie, wenn Sie das Wort „Freude“hören? Ich vermute, da kommen die unterschiedlichsten Ereignisse und Dinge zusammen. Ich vermute auch, kaum jemand denkt dabei an die 10 Gebote!
Zumindest legt dies eine Karikatur nahe, die ich vor vielen Jahren in einem Unterrichtsbuch gesehen habe. In einer Denkblase ein grimmiger alter Gott, der eine Steintafel in seinen Händen hält mit der Überschrift „10 Gebote“. Gottes Zeigefinger deutet auf den Text darunter: „Du sollst nicht!“
Unter der Denkblase ein Mensch mit traurigen Augen. Eins ist hier vollkommen klar: Gottes Wort, seine Gebote machen keinen Spaß, ganz im Gegenteil! Wenn etwas Spaß macht, ist es ganz sicher verboten! Wie anders ist das auf vielen Bildern und auf den Glasfenstern von Marc Chagall zu sehen. Mose umarmt zärtlich die Tafeln mit den Geboten, die umrahmt sind von der Farbe Rot, der Farbe der Liebe. Tatsächlich finden wir einen großen Unterschied zwischen der Auffassung, was die Gebote für uns Menschen sind, zwischen dem jüdischen Glauben und dem allgemeinen Verständnis der Gebote auf christlicher Seite.
Der Freude über die Gebote ist im Judentum ein ganzer Festtag gewidmet. Menschen, die in der Synagoge mit den Schriftrollen im Arm singen und tanzen. Freude darüber, dass Gott uns Menschen sein Wort anvertraut. Freude darüber, dass wir durch Gott auf den Weg des Lebens gewiesen werden. In diesem Jahr feierte die jüdischen Gemeinde das Fest „Simchat Tora“am 1. Oktober.
An Simchat Tora endet die jährliche Lesung der Wochenabschnitte mit den letzten Versen des Fünften Buches Mose (Kapitel 33 und 34), direkt im Anschluss wird der Beginn des Ersten Buches Mose (1,16,8) vorgetragen. Kinder kommen zusammen nach vorne und empfangen unter einem Tallit (Gebetsschal) einen Segen.
Wer Gottes Wort geschenkt bekommt, ist voller Freude und gesegnet (Ps 1,1f): Glücklich die Menschen, die ihre Lust und Freude an Gottes Weisung haben. Sie sind wie Bäume – gepflanzt an Wasserläufen, die Frucht bringen und der Laub nicht welkt!
Pfarrer Michael Füsgen
Homberg