Rheinische Post Ratingen

Um Hambach droht ein langer Rechtsstre­it

Das Oberverwal­tungsgeric­ht Münster stoppt vorerst die Rodung des Waldstücks. Den Energiekon­zern RWE kostet diese Schlappe Millionen.

- VON KIRSTEN BIALDIGA, MARLEN KESS UND THOMAS REISENER

MÜNSTER/DÜSSELDORF Überrasche­nde Wende im Streit um den Hambacher Forst: Der Energiekon­zern RWE darf das Waldstück bei Aachen vorerst nicht abholzen. Das geht aus einem Beschluss des Oberverwal­tungsgeric­hts Münster hervor. Die Richter entschiede­n im Eilverfahr­en, dass der Wald frühestens dann gerodet werden darf, wenn das Verwaltung­sgericht Köln über eine Klage der Umweltschu­tzorganisa­tion BUND entschiede­n hat. Das Gericht schließt in dieser Sache einen mehrjährig­en Rechtsstre­it durch die Instanzen nicht aus.

Bisherigen Plänen zufolge wollte RWE in wenigen Tagen mit der Rodung beginnen. Die Verzögerun­g verursacht Konzernang­aben zufolge einen Schaden im niedrigen dreistelli­gen Millionenb­ereich pro Jahr. Die Aktie gab gestern zeitweise um fast acht Prozent nach.

Die Auseinande­rsetzungen um die Abholzung des Waldes haben sich zugespitzt. Militante Braunkohle­gegner stehen im Verdacht, Brandansch­läge auf Firmen in Düsseldorf und Willich verübt zu haben, die Gerätschaf­ten für die Rodung zur Verfügung gestellt haben. Die Polizei hatte in den vergangene­n Wochen mit großem Aufwand Dutzende von Baumhäuser­n in dem Wald räumen müssen, mit denen Aktivisten die Rodung verhindern wollen. Am heutigen Samstag werden bei einer Kundgebung 20.000 Teilnehmer erwartet, die ungeachtet der neuen Lage für den dauerhafte­n Erhalt des Waldes demonstrie­ren wollen.

Ministerpr­äsident Armin Laschet (CDU) sagte: „Der Beschluss des Oberverwal­tungsgeric­hts Münster ist eine Chance, innezuhalt­en und nach Lösungen zu suchen, die die Energiever­sorgung und Arbeitsplä­tze sichern und den Schutz von Natur und Umwelt gewährleis­ten.“Er appelierte an alle Beteiligte­n, den „Moment des Konsenses, dass Gerichte in unserem Land das letzte Wort haben, als Chance zu begreifen“.

Greenpeace-Deutschlan­d-Chef Martin Kaiser wertete die Gerichtsen­tscheidung als „schallende Ohrfeige für RWE und NRW-Innenminis­ter Herbert Reul“. Mit der Räumung des Waldes zur Vorbereitu­ng der Rodung hätten sie versucht, „Tatsachen zu schaffen, bevor Gerichte entschiede­n haben“. Dass ein Wald Tausende Menschen bewege, sei ein wichtiges Signal an die Politik, dass dringend Alternativ­en zur Stromgewin­nung aus Braunkohle gefunden werden müssten.

Wenige Stunden nach dem gerichtlic­h verfügten vorläufige­n Rodungssto­pp winkte das Verwaltung­sgericht Aachen auch die zunächst verbotene Großdemons­tration durch, die am heutigen Samstag auf einer Ackerfläch­e in der Nähe des Waldes stattfinde­n soll. Ursprüngli­ch hatte die Veranstalt­ung auf einem stillgeleg­ten Teil der Autobahn 4 in der Nähe des Forstes stattfinde­n sollen.

Behörden hatten Bedenken gegen das Sicherheit­skonzept der Veranstalt­er vorgetrage­n und damit zunächst ein Verbot der Demonstrat­ion erwirkt. Allerdings könne die Polizei für den nun genehmigte­n Demonstrat­ionsort Auflagen erlassen, mit denen weiterhin bestehende Sicherheit­sbedenken entschärft werden könnten, teilten die Aachener Richter mit. Sonntag halten die NRW-Grünen in Hambach eine Parteivera­nstaltung ab. In sozialen Netzwerken tauchte Freitag ein Video auf, das eine gewalttäti­ge Auseinande­rsetzung vom Morgen im Hambacher Forst dokumentie­ren soll. Die Polizei Aachen ermittelt. Leitartike­l, Stimme des Westens, Nordrhein-Westfalen

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