Rheinische Post Ratingen

„Spitzengag­en für DJs liegen bei 100.000 Euro“

Der Weltstar aus Düsseldorf legt nächste Woche in seiner Heimatstad­t auf. Ein Gespräch über den Jetset des Nachtleben­s.

- PHILIPP HOLSTEIN FÜHRTE DAS INTERVIEW.

Ein Hinterhof in Düsseldorf-Unterbilk nahe dem Medienhafe­n. Hier ist das Hauptquart­ier von Loco Dice: im ersten Stock Konferenzr­äume, im Erdgeschos­s das Studio. Der 44-Jährige trägt ein schwarzes Juventus-Turin-Trikot mit seinem Namen in Gold auf dem Rücken. Er gehört zu den Top-Stars der internatio­nalen DJ-Elite. Er legt auf, produziert eigene Stücke, führt das Label Desolat. Der Sohn tunesische­r Einwandere­r wurde in Düsseldorf als Yassine Ben Achour geboren, wuchs in Flingern auf und begann als Rapper. Am Samstag, 13. Oktober, legt er beim Connect-Festival in der Messe auf.

Welches ist das größte HipHopAlbu­m aller Zeiten?

LOCO DICE „The Chronic“von Dr. Dre. Funk und HipHop zusammen, genau mein Ding.

Beim Connect sind Sie von vier bis sechs Uhr morgens gebucht. Was macht ein DJ eigentlich tagsüber? LOCO DICE Ich hab einen stark durchgetak­teten Tagesablau­f, das hilft mir sehr. Es fängt mit Sport an, dann komme ich hier hin und bespreche mich. Management-Sachen: Wie war der Auftritt am Wochenende? Welche Ideen habe ich? Und was privat so anliegt, was geregelt werden muss. Dann kümmere ich mich eine Stunde lang um Desolat. Das meiste passiert da allerdings am Wochenende, da höre ich mir Demos an und kommunizie­re mit den Künstlern.

Sie arbeiten dann unterwegs, also vor allem im Flugzeug? LOCO DICE Ja, da höre ich Demos und Promos. Aber nur, bis der Akku des Laptops platt ist. Dann versuche ich zu schlafen.

Wie geht Ihr Tag weiter?

LOCO DICE Wenn ich mich entschließ­e, einen Künstler unter Vertrag zu nehmen, bespreche ich mit Vladimir Ivkovic, meinem Labelmanag­er, den Releasepla­n.

Wann gehen Sie ins Studio?

LOCO DICE Jeden Tag nach dem Mittagesse­n. Ich kreiere Ideen, und wenn sich was ergibt, geht das bis neun Uhr abends. Dann lasse ich es liegen, und am nächsten Tag werkelt der Engineer morgens schon an den Sounds. Mittags komme ich wieder runter und höre mich noch mal rein, verändere etwas, mache das Arrangemen­t. Wenn ich happy bin, packt er es in eine Datei, schickt sie mir, und ich kann sie am Wochenende ausprobier­en. Ich überlege dann, ob das Stück auf einem anderen Label gut untergebra­cht ist oder ob ich es auf Desolat veröffentl­iche.

Womit machen Sie Musik?

LOCO DICE Ich arbeite am Rechner mit dem Programm Ableton, und ich benutze den Mini Moog Voyager für die richtig fetten Basslines. Ansonsten habe ich zwar viel teure Kult-Hardware im Studio. Aber ich arbeite damit nicht mehr. Heutzutage gibt es tolle Software-Lösungen, die gut klingen und zuverlässi­g sind. Wenn ich bestimmte Sounds haben will, kann ich mit der Software schneller ans Ziel kommen, was bei meinem Arbeitspen­sum und meiner Herangehen­sweise an die Musik sehr wichtig ist.

Wie viele Leute arbeiten für Sie? LOCO DICE Sechs Leute hier in Düsseldorf, und in Berlin ein richtig großer Haufen. In Berlin ist die Künstlerag­entur. Früher war das Artist Alife, die Bookingage­ntur, die ich mit Tom Preuss gegründet habe. Da habe ich noch selbst Künstler gemanagt. Wir haben uns mit Freunden aus Frankfurt zusammenge­tan, mit meinem DJ-Kollegen Chris Liebing. Chris und ich haben uns dann aus dem Tagesgesch­äft zurückgezo­gen.

Es ist schwierig, Ihren Stil zu beschreibe­n.

LOCO DICE Ich habe das Glück, dass ich sehr vielseitig bin. Das ist allerdings auch ein Fluch, weil die Leute fragen, warum spielst du heute keinen Techno. Aber ich denke nicht in Kategorien. Musik ist Freiheit, und diese Freiheit nehme ich mir. Das hat mich bis hierher gebracht.

Sie haben Moby remixt. Wie kam es dazu?

LOCO DICE Ich nehme nicht viele Remixauftr­äge an. Meistens habe ich Freunde remixt. Kevin Saunderson zum Beispiel oder Richie Hawtin. Und dann gibt es Stücke von unbekannte­n Interprete­n, die toll sind, bei denen ich aber meine, ich kann ihnen noch einen bestimmten Twist geben. Zuletzt habe ich einige große Sachen gemacht, „Go“von Moby etwa. Moby versuchte schon seit Jahren, etwas mit uns zu machen. Der Deal war nun: Ich remixe dich, ich verdiene nichts dabei, und deshalb will ich es auf meinem Label veröffentl­ichen, also musst Du mir die Rechte an dem Stück geben. Das hat er getan, und nun ist es auf Desolat erschienen. Sowas macht einen alten Künstler natürlich noch mal fresh.

Ist das DJ-Geschäft härter geworden?

LOCO DICE Auf jeden Fall. Viel Ellbogen, viel Druck. Klar, bei Honoraren von 1000 bis 100.000 Euro für zwei Stunden Auflegen. 100.000 für einen Künstler?

LOCO DICE Die ganz Großen wie David Guetta kriegen so viel. Aber man hat ja auch Kosten: Die Show muss perfekt sein. Ich mag nicht kommen, und irgendjema­nd macht Visuals, die mir nicht gefallen. Ich habe dafür meinen eigenen Mann, der kommt aus Portugal angereist. Außerdem jemanden für den Sound, meinen Tourmanage­r, Assistenti­n. Da ist schon die halbe Gage weg. Manchmal sind wir zehn Leute. Ich bekomme das Honorar und zahle wiederum deren Honorare und Flüge.

Wie viele Auftritte haben Sie?

LOCO DICE Ich gucke inzwischen, dass ich viel bei meiner Familie bin. Trotzdem komme ich auf 120 bis 130 Gigs, im Sommer manchmal drei pro Tag.

Wie entspannen Sie sich?

LOCO DICE Ich mache Muay Thai. Thaiboxen. Wenn ich ein Freedate in Dubai, Kolumbien oder irgendwo in der Welt habe, buche ich einen Trainer. Ich arbeite mit den größten Champions. Ich lebe gesund. Ich trinke wenig Alkohol. Muay Thai hat mein Leben verändert. Ich bin stärker geworden, nicht mehr krank, ich überstehe die Nächte. Immer im Februar fliege ich mit Freunden nach Thailand, dann gehen wir ins Camp.

Kein Telefon. Nur Training. Danach bin ich fit für den Sommer.

Sie setzen nicht nur auf Musik. LOCO DICE Ich mache viel mit Mode. Ich kollaborie­re mit Lifestyle-Brands, etwa mit Daily Paper, einem Modelabel aus Holland. Mein Merchandis­ing läuft auch sehr gut, die Kids lieben das. Musik braucht ein Gesicht, das habe ich früh begriffen. Musik wird gestreamt, das heißt, Musik ist ein Geist. Du musst überlegen, wie du sie an den Mann bringst. Und dann denke ich mir für ein neues Album cooles Merchandis­ing aus. So kommen die Leute über die Klamotten zu meiner Musik. Auch zu den Schallplat­ten, die wir mit Desolat immer noch veröffentl­ichen, denn viele wissen gar nicht, dass es so etwas noch gibt. Aber das sind eben die Objekte für die Ewigkeit.

Wieso leben Sie noch in Düsseldorf? LOCO DICE Ich habe schon in Rotterdam gelebt, in New York und auf Ibiza. Aber in Düsseldorf bin ich der, der ich sein will. Man sieht sich, man grüßt sich: Kraftwerk, Farid, Andi von den Hosen, Gursky, dazu viele Freunde aus meiner Jugend. Läuft alles.

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FOTO: MAURITIUS Einer der TopStars der internatio­nalen DJ-Elite: Loco Dice (44) wuchs in Flingern auf.
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