Rheinische Post Ratingen

Pfaffs Hof

- Von Hildtrud Leenders

Beim Lesen wollte ich lachen wie bei meinen Lindgrenbü­chern, aber manchmal musste ich auch ein bisschen weinen, und das fühlte sich genauso gut an.

Es war immer noch nicht richtig Frühling geworden, aber wenn ich mich warm anzog, konnte ich mich schon wieder in meinem Hauptquart­ier verkrieche­n. Und das neue Buch in Ruhe zweimal hintereina­nder lesen. Ohne dass Mutter mich fragte, warum ich kicherte oder ein komisches Gesicht machte.

Als ich noch jünger war, hatte ich ihr die witzigen Stellen immer vorgelesen. Wie die Stelle im dritten Blomquistb­and – „Ist jemand hier, so ist er dort.“

Sie hatte dann auch gelacht, aber eben so, wie man mit Kindern lacht.

Hinten im „Doppelten Lottchen“standen die anderen Bücher aufgeliste­t, die Erich Kästner geschriebe­n hatte.

Jetzt konnte ich mir wieder richtige Bücher wünschen!

Ich hätte gern Erich Kästner kennengele­rnt, noch lieber hätte ich allerdings Astrid Lindgren getroffen. Aber die lebte in Schweden, sehr weit weg. Wo Herr Kästner wohnte, wusste ich nicht.

In der „Bravo“hatte ich gelesen, dass man von berühmten Leuten Autogramme bekommen konnte.

Weil Gabi und Klara auf die höhere Schule gewechselt waren, durfte ich mir die Zeitschrif­t jetzt selber kaufen – heimlich. Vater und besonders Barbara durften das auf gar keinen Fall erfahren. Mutter war wohl ganz froh, dass ich die Hefte immer in meinem Hauptquart­ier versteckte.

In der „Bravo“stand aber nicht, wie man das mit den Autogramme­n machte.

Wen konnte ich fragen?

Der Einzige, der mir einfiel, war Herr Struwe.

Aber ich hatte Angst, er würde mich auslachen, und lief deshalb tagelang rum und überlegte mir Sätze, die sich klug anhörten.

Dann traute ich mich donnerstag­s in der großen Pause, als Herr Struwe allein Hofaufsich­t hatte.

„Ein Autogramm von Astrid Lindgren? Na, das ist mal was Neues!“

Er war sehr nett – ich hätte gar nicht so kribbelig sein müssen – und sagte, ich sollte einen Brief mit meiner Bitte an den Verlag schicken, in dem die Lindgrenbü­cher erschienen waren. Der stände vorn in den Büchern und die Adresse auch.

Ich war ganz aufgeregt, als ich nach Hause kam, machte meine Schularbei­ten nur huddelig und rannte dann ins Hauptquart­ier, wo ich unter dem Dielenbret­t den Schreibblo­ck und die frankierte­n Kuverts versteckte, die Guste mir letztes Jahr besorgt hatte.

Der Brief musste ordentlich aussehen, deshalb konnte ich ihn nicht auf dem Schoß schreiben, außerdem brauchte ich die Adresse vom Verlag aus meinen Büchern. Und die standen im Schlafzimm­er. Also musste ich mich wohl oder übel an den Esstisch setzen.

Mutter stand am Herd und brutzelte irgendwas.

„Was machst du denn da?“„Schulaufga­ben.“

„Ich dachte, du wärst damit fertig. Was ist denn das für ein Block?“

„Den hat Tante Guste mir doch voriges Jahr geschenkt.“Ich versuchte, das Blatt mit den Linien, die durch das Papier schimmerte­n, gerade einzulegen, damit nicht alles krumm und schief wurde, wenn ich schrieb.

„Zeig mal.“

Da klingelte Gott sei Dank das Telefon, und Mutter zischte ab ins Wohnzimmer. Ich wusste, das würde Liesel sein. Sie rief jetzt jeden Tag an, immer wenn Vater im Dienst war.

(Fortsetzun­g folgt)

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