In Sorge um den deutschen Nationalstaat
Hans-Peter Schwarz war ein Streiter auf höchstem Niveau. Immer wieder hat der Bonner Politikprofessor unzeitgemäße Betrachtungen vorgelegt und Fehlentwicklungen, vornehmlich in der deutschen Außenpolitik, beim Namen genannt. Eingebettet allerdings in grundsätzliche Bedenken gegenüber einer „alles in allem doch epigonalen politischen Klasse der Bundesrepublik“. Was ist dabei herausgekommen?
Aufschluss darüber geben die Lebenserinnerungen des im Vorjahr verstorbenen Historikers. In dreizehn Kapiteln schildert Schwarz seinen Weg, beginnend mit seiner Kindheit im Dritten Reich, die turbulenten 70er Jahre, die er als jüngster deutscher Professor im Alter von 32 Jahren erlebte, neue Ostpolitik, Nachrüstung, Wiedervereinigung, Euroeinführung, um nur die wichtigsten seiner Themen zu nennen. Einen Namen machte er sich als Biograph von Adenauer und Kohl, für die interessierte Öffentlichkeit schrieb er Streitschriften mit so plakativen Titeln wie „Die gezähmten Deutschen“, „Die Zentralmacht Europas“, und, inzwischen wieder pessimistischer gestimmt, “Republik ohne Kompass“.
Schwarz schreibt auch hier gut begründet und stilistisch ausgefeilt, als Patriot, eine „zwischen Sorge und Leichtsinn oszillierende Zeitstimmung“konstatierend. Und trotz des Titels gibt es kein eigenes Kapitel über Angela Merkel, nur deutlich skeptische Aussagen zu den Ergebnissen ihrer Politik, und, vor allem, das knappe, lakonische Urteil, sie sei einfach „fehlprogrammiert“. Es wird nicht jedermanns Sache sein, sich mit den doch recht umfangreichen und stellenweise auch ermüdenden hochschulpolitischen Teilen der Erinnerungen zu beschäftigen. Vor allem dann, wenn man selbst nicht Politik studiert hat.
Was also bleibt vom Lebenswerk des H.P. Schwarz? Man muss es so sagen: Je eher sich die alarmierenden künftigen Entwicklungen vollziehen, desto dramatischer ihre Wirkung. Schwarz war kein rückwärtsgewandter Prophet, er hat die Dinge immer rechtzeitig beim Namen genannt. Doch trifft für ihn das Wort vom Propheten zu, der im eigenen Land nichts gilt? Schwarz hatte Geltung. Bereits zu Lebzeiten. Das zeichnete ihn, das zeichnet seine Erinnerungen aus.
Hans-Peter Schwarz: Von Adenauer zu Merkel. 2018, DVA, 736 S., 50 Euro