Die Alternativen zum Westen
Der frühere Übersetzer Weidner hält den Westen für anmaßend.
Die Krise des Westens wird weit verbreitet thematisiert, Nationalismus als eine Gefahr für den Westen gesehen, mit globaler Relevanz personifiziert durch Ronald Trump. Das macht Stefan Weidners Buch „Jenseits des Westens“interessant, weil es nach Alternativen jenseits des Westens sucht, in kosmopolitischem Denken. Fundament ist ein breit ausdifferenziertes Wissen, erworben als Übersetzer, gerade auch nicht-„westlicher“Sprachen. Ideologiekritik am Westen wird mit kosmopolitischen Perspektiven verbunden. Das mündet in der Beschreibung einer Haltung, die Freiheit ermöglicht auch außerhalb jeweiliger kultureller Prägungen.
Kosmopolitischem Denken steht die Selbsteinschätzung des Westens entgegen, aktuell wie geistesgeschichtlich seit Jahrhunderten. Weidner seziert, wie nach der Implosion des kommunistischen Ostens Francis Fukuyama und Samuel Huntington die Selbstüberhöhung des Westens formulierten, Fukuyama mit dem Anspruch, die Welt werde evolutiv letztlich wie der Westen werden, Huntington mit der Feststellung, alle anderen Kulturen seien dem Westen unterlegen, was sich in Konflikten konkretisieren wird. Fukuyamas Hinweis, dass die größte Gefahr für den Westen von rechts kommt, ist in der gängigen deutschen Übersetzung unterschlagen worden. Diese These hält Weidner für zwingend, da die Tendenz zum Nationalismus der Selbstverständigung des Westens immanent sei.
Sie entspricht Fukuyamas Feststellung dreier menschlichen Eigenschaften, Vernunft, Begierde und Streben nach Anerkennung. Liberale Demokratien befriedigen Vernunft und Begierde, die Problematik liegt im Umgang mit Streben nach Anerkennung. Gesellschaftlich führt Streben nach Anerkennung zur Nation, die anderen Menschen, Fremden überlegen ist.
Wo können nun Weidners „Ankünfte jenseits des Westens“? Der Autor artikuliert drei Ansätze. Der erste persönliche basiert auf dem sprachanalytischen Umgang mit dem Begriff der Entfremdung. Das kann Fremdsein meinen, oder auch Fremdheitsüberwindung. Weidner plädiert dafür, sich zu entfremden, sich bei anderen nicht fremd zu fühlen. Das basiert auf der früheren Erfahrung eines Besuchs im islamischen Marokko. Der zweite Ansatz liegt in der Wahrnehmung der Poesie unterschiedlicher Kulturen. Der dritte Ansatz ist normativ. Ungleichheit aller Art lässt sich überwinden durch das „Recht auf Recht“eines jeden Menschen, etwa Recht auf Heimat. Damit kommt Weidner realer internationaler Politik im Rahmen der Vereinten Nationen nahe.
Stefan Weidner: Jenseits des Westens. Für ein neues kosmopolitisches Denken. Hanser, 368 S., 24 Euro