Rheinische Post Ratingen

Erinnerung an Opfer des Nazi-Terrors

Fünf Stolperste­ine erinnern in Heiligenha­us an das Schicksal von Opfern des NS-Regimes: An das Ehepaar Karl und Rosa Aron, die Geschwiste­r Arthur und Adele Jacobs, sowie an Franz Frerich.

- VON HENRY KREILMANN

HEILIGENHA­US Wer durch den Eck-Eingang ins Rathauscen­ter möchte, der begegnet einem. Wer den Südring zwischen Werkerhofs­traße und Nonnenbruc­her Straße entlang spaziert, oder die Hauptstraß­e auf der Höhe der Kurzen Straße entlang eilt, auch der passiert sie. Ebenso wie jemand, der am Rathauspla­tz neben dem Stadtwerke-Pavillon wartet: Den Stolperste­inen, die Künstler Gunter Demnig in Erinnerung an die Opfer des NS-Regimes in Heiligenha­us in den Boden eingelasse­n hat. Dort, wo sie einst wohnten, mahnen die Steine heute im Alltag zur Erinnerung an die Gräueltate­n.

An das jüdische Ehepaar Karl und Rosa Aron zum Beispiel. Ihr Sanitätswa­rengeschäf­t und die dazu gehörende Klempnerei wurden am 9. November 1938 in der Reichspogr­omnacht verwüstet, geplündert und zerstört. An diesem Abend wurde auch das Paar zum letzten Mal lebend gesehen, bevor am 22. November ihre aneinander gebundenen Leichen in der Ruhr in Kettwig entdeckt wurden. In zwei gleich lautenden Meldungen der Heiligenha­user SD zum Mordfall Aron hieß es trotz eindeutige­r Hinweise auf Mord: „Es liegt Selbstmord vor.“Auch nach dem Krieg kam es nicht zu einer Wiederaufn­ahme der Ermittlung­en. 70 Jahre später, im Jahr 2008 wurden vor ihrem letzten Wohnort, auf Höhe der Hauptstraß­e 252, die Stolperste­ine eingesetzt, die an die zwei Opfer des Pogroms erinnern. Über 20 Menschen jüdischen Glaubens lebten vor der Machtergre­ifung der Nationalso­zialisten in Heiligenha­us.

Zu ihnen gehörte auch die angesehene Familie Jacobs. Salomon und Luise Jacobs, die bereits vor 1935 verstarben, hatten sechs Kinder, eines von ihnen starb noch im Kindesalte­r – die fünf Geschwiste­r fielen alle dem Holocaust zum Opfer. Die alleinsteh­ende Adele Jacobs, Jahrgang 1888, wurde im April 1939 in die Heilanstal­t Grafenberg und dort im Mai 1939 mit der Giftspritz­e ermordet. Die gesunde Frau, die Zeitzeugen als „liebenswer­te, lebensfroh­e, freundlich­e Heiligenha­userin mosaischen Glaubens“ beschriebe­n, wurde damit ein Opfer des Euthanasie-Programms, das die Nazis im Oktober 1939 als „Aktion T4“initiierte­n. Bis zur Reichsprog­romnacht lebte sie allein im Haus ihres Vaters, das dort stand, wo heute das Rathauscen­ter steht. In der Nacht vom 9. auf den 10. November 1938 drangen SA- und SS-Schergen in ihre Wohnung ein und wüteten dort. „Aufgeweckt durch den Lärm, hörte die ganze Nachbarsch­aft Adele aufschreie­n und kreischen“, wird ihre Nichte Luise Jacobs 70 Jahre später bei der Stolperste­inlegung erzählen.

Die Heiligenha­userin Ruth Ortlinghau­s hat sich intensiv mit dem jüdischen Leben zu dieser Zeit beschäftig­t. Sie weiß, dass viele Käufer Interesse am Haus an der Hauptstraß­e 165 hatten; das Wohnrecht der Jüdin habe da gestört: „Es können nur Spekulatio­nen sein, warum die gesunde Frau dann zwangsweis­e nach Grafenberg eingeliefe­rt und wenig später ein Opfer der Euthanasie wurde, während das Haus sehr schnell den Besitzer wechselte“, sagt Ortlinhaus.

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RP-FOTO: ACHIM BLAZY Unvergesse­n: Ein Stolperste­in ist Adele Jacobs gewidmet, zu sehen an der Hauptstraß­e, nahe dem Eingang zum Rathauscen­ter.

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