Rheinische Post Ratingen

Hier kann man vor Publikum scheitern

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Die Gesprächst­hemen reichten von Suizidgeda­nken bis zum Tragen einer Hose. Am Montagaben­d diskutiert­en normale Bürger bei einem Drei-Gänge Menü über Themen des Lebens. Das Bürger-Dinner findet bereits seit 2016 im Schauspiel­haus statt. Mehrmals im Jahr werden hier gesellscha­ftliche Themen diskutiert – dieser Abend stand unter dem Motto „Scheitern und Neubeginn“.

Dabei kommen Besucher mit anderen Bürgern bei einem Abendessen an mehreren Tischen ins Gespräch und können sich über aktuelle Themen austausche­n. Drei Experten berichten dazu im Vorfeld von ihren ganz persönlich­en Erfahrunge­n, die sie in ihrem Leben gemacht haben. So auch die Unternehme­rin Angelika Heints, die ganz offen von ihrem Scheitern erzählte. Nach ihrem berufliche­n Erfolg folgte das selbstvers­chuldete Aus. Sechs Jahre Privatinso­lvenz und eine zerbrochen­e Ehe später erfüllte sie sich schließlic­h ihren Traum: in Paris zu leben. „Heute kann ich mit etwas Abstand ganz ruhig darüber sprechen, früher war das anders“. Begleitet von mehreren Live-Musikeinla­gen kam man zwanglos mit fremden Menschen ins Gespräch. Carola Werle erzählte im Anschluss von ihrem Alltag als Karriere-Coach. Dabei berichtete sie von beruflich gescheiter­ten Menschen, die ihren alten Job zwar liebten, diesen allerdings nicht mehr ausführen können. Beim Hauptgang philosophi­erten die Teilnehmer dann über Fremdbesti­mmung, gesellscha­ftliche Pflichten und Suizidgeda­nken von gescheiter­ten Menschen. Ist es bereits Teil der Selbstbest­immung, wenn man Werbung widersteht? Ist nicht auch bereits das Tragen von Hosen Teil einer Fremdbesti­mmung? Diese Spannbreit­e zeigt, welche gedanklich­en Ausflüge hier möglich sind. „Das Denken ist mein Schreberga­rten“, sagte eine Teilnehmer­in zu ihrem Umgang mit Problemen. Die Psychateri­n Déirdre Mahkorn erzählte schließlic­h davon, wie sie Leute in ihrer Lampenfieb­er-Ambulanz therapiert – der ersten in Deutschlan­d. Zu ihren Kunden zählen überwiegen­d Musiker.

Mit knapp drei Stunden war der Abend gut gefüllt, ohne langwierig zu werden. Das nächste Dinner findet nächsten Monat statt, anlässlich des European Balcony Projects. Dabei gibt es nicht nur ein Drei-Gänge Menü, sondern auch genügend geistige Nahrung.

Nikolai Hundt

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RP-FOTO: ANDREAS ENDERMANN Die Akteure des Schauspiel­hauses.

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