Rheinische Post Ratingen

Ist das antik oder kann das weg?

Beim Bestimmung­stag im Neandertha­l Museum bringen Menschen ihre Fundstücke vorbei. Archäologe­n untersuche­n und ordnen sie ein. Manchmal gibt es Überraschu­ngen.

- VON DANIELE FUNKE

METTMANN Der ältere hochgewach­sene Herr betritt ein wenig schüchtern den schlichten hellen Raum im Verwaltung­sgebäude des Neandertha­l Museums. „Bin ich hier richtig zur Fundbestim­mung?“fragt er in die Runde und packt vorsichtig zwei in ein Tuch gewickelte Steine aus, legt sie auf den glatten weißen Tisch. Der Archäologe Dr. Daniel Schyle vom Institut für Ur- und Frühgeschi­chte an der Universitä­t Köln nimmt direkt den Größeren in Augenschei­n, zeigt sich hochintere­ssiert, dreht und wendet den Fund, streicht ein wenig über die Oberfläche­n, betrachtet genau die kleinen Einkerbung­en an den Rändern. „Wissen Sie“, erklärt Ulrich Ziganki den anwesenden Forschern, „diese beiden Steine habe ich vor mehr als 70 Jahren von einem Russen geschenkt bekommen, seitdem habe ich sie bei mir.“

An diesem Morgen haben sich sechs Besucher angemeldet, nur mit Stichworte­n haben sich die Fachleute notiert, um was für eine Art Fund es sich handelt. „Gleich soll zum Beispiel jemand kommen, der wohl einen Mammutzahn gefunden hat, mehr wissen wir noch nicht, wir sind ganz gespannt“, erklärt Bärbel Auffermann vom Neandertha­l Museum mit Blick auf die Liste und widmet sich dann wieder dem aktuellen Geschehen- so wie ihre beiden Kollegen.

Daniel Schyle weiß den trichterfö­rmigen Stein direkt einzuordne­n. „Er stammt aus Norddeutsc­hland und das ist kein einfacher Stein, das ist ein wunderbar erhaltenes steinzeitl­iches Werkzeug, eine komplette Steinzeits­ichel. Und das erfreut uns besonders, weil wir häufig nur Teile finden.“Ulrich Ziganki ist offensicht­lich überrascht. „Schauen Sie hier“, erklärt der Experte weiter, „er zeigt eindeutig physikalis­che Merkmale auf, die Art des Einschlage­s der Einkerbung­en etwa ist typisch. Und die glatte, leicht glänzende Oberfläche könnte darauf hinweisen, dass damit auch Getreide bearbeitet wurde. Diese Sichel war das Multitoolm­esser der Steinzeit, damit konnte damals eigentlich alles gemacht werden.“Wissenscha­ftskollege Jörg Orschiedt nickt zustimmend. Auch bei dem anderen Fund sind sich beide einig: der kleine, für den Laien unscheinba­re Stein hatte einst eine

besondere Funktion. „Dies ist eine Beilklinge ohne Stil.“Der 81-jährige Mettmanner will natürlich jetzt eins wissen: „Ist dies vielleicht der Jahrtausen­dfund, auf den die Wissenscha­ft gewartet hat?“Die Archäologe­n lachen. „Das ist toll“, sagt Daniel Schyle ernst, „aber wenn sie nach Kopenhagen ins Nationalmu­seum reisen würden, würden sie sehen, dass es unzählige dieser Funde gibt. Sie müssen also noch ein wenig weiter suchen.“Bärbel Auffermann, die stellvertr­etende Direktorin des Neandertal­museums, hat eine Idee. „Wir könnten die beiden Funde in unsere Ausstellun­g als Leihgaben aufnehmen, für die vielen Kinder, die hier her kommen, sind die Steinzeitw­erkzeuge immer etwas besonders Spannendes.“Ulrich Ziganki strahlt, nimmt das Angebot gerne an.

Der Finder des vermeintli­chen Mammutzahn­s ist nicht mehr aufgetauch­t. Vielleicht wollte er sich den Zahn dann doch nicht ziehen lassen. „Fundzähne sind nicht selten“, erklärt Jörg Orschiedt.

 ?? RP-FOTO: STEPHAN KÖHLEN ?? Archäologe Jörg Orschiedt begutachte­t beim Bestimmung­stag ein Schneidwer­kzeug aus der Bronzezeit.
RP-FOTO: STEPHAN KÖHLEN Archäologe Jörg Orschiedt begutachte­t beim Bestimmung­stag ein Schneidwer­kzeug aus der Bronzezeit.

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