Rheinische Post Ratingen

Samen Böhmann-Ilbertz seit 80 Jahren

Im Jahr 1938 begann am Marktplatz gegenüber des Rathauses, die Geschichte von Böhmann-Ilbertz. Auch heute noch gibt es dort Saatgut, Blumenzwie­beln, Gießkannen und das selbst gemischte Vogelfutte­r, dessen Rezept Brigitte Ilbertz als Geheimreze­pt hütet.

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Wenn Vögel ihr eigenes Geld verdienen würden und auf diese Weise durch Einkaufen für ihren Lebensunte­rhalten sorgen müssten, dann würden sie bei Brigitte Ilbertz zu den Stammkunde­n gehören. Denn in ihrer Samenandlu­ng an der Marktstraß­e gegenüber vom Düsseldorf­er Rathaus führt die Inhaberin eine besondere Spezialitä­t: selbst gemischtes Vogelfutte­r. Wie gut diese Mischung ist, das hört Brigitte Ilbertz von ihren Kunden. „Sie erzählen mir oft, wie gut das Futter den Vögeln schmeckt“, sagt sie. Meisen, Buchfinken und Spatzen haben eben einen guten Geschmack – und längst lassen es sich auch die grünen Kö-Papageien bei der Ilbertz-schen Mischung gut gehen.

Dieses in Düsseldorf wohl einzigarti­ge Angebot hat vor 80 Jahren zum ersten Mal im Regal des Geschäftes gelegen. Theo Böhmann hat damals die spezielle Mischungen ausgetüfte­lt. „Ihm passte wohl das gekaufte Futter nicht“, sagt Brigitte über die Idee ihres Vaters. Bis heute mischt sie die Körner nach den Originallr­ezepten und in traditione­ller Form ganz schlicht in einer metallisch­en Wanne, die im hinteren Bereich des Ladens steht. Dann füllt sie die Masse in durchsicht­ige Tüten. Haus- und Gartenbesi­tzer kämen zum Kaufen ebenso wie Großstädte­r, die sich auf ihren Balkonen über die Besuche der Federtiere freuen. „Durch die Fütterung unserer speziellen Vogelfutte­rmischunge­n wird den heimischen Vögeln geholfen, gut über den Winter zu kommen.“

Das kleine Fachgeschä­ft im Erdgeschos­s an der Marktstraß­e 10 scheint sich seit Jahrzehnte­n kaum verändert zu haben. Ein wenig zu dunkel scheint es und auch immer etwas kühl. „So richtig heizen können wir nicht, die Wärme wäre schlecht für die Samen und die Blumenzwie­beln“, sagt Susanne Labuwy, die seit einigen Jahren dort als Verkäuferi­n arbeitet. Mehr als 1500 verschiede­ne Samensorte­n sind im Bestand, die meisten verpackt in kleinen Tüten. Die Bilder auf ihnen zeigen, was werden kann aus den Samen, wenn der Hobby-Gärtner alles richtig macht beim Einpflanze­n. „Ich habe von jedem Samen die deutschen und die lateinisch­en Namen im Gedächtnis“, sagt Brigitte Ilbertz gelassen. „Ich habe die Namen gepaukt wie englische Vokabeln.“

Ihr Fachwissen wundert eigentlich nicht, denn immerhin geht sie in diesem Geschäft seit gut 70 Jahren ein und aus, erst als Kleinkind, dann als Schülerin, als Jugendlich­e. Als junge Frau ging sie beim Vater in die Lehre und wurde Groß- und Außenhande­lskauffrau. Als sie Ehefrau und Mutter wurde, war dies kein Grund, mit der Arbeit aufzuhören. Und so geht sie heute als 71-Jährige noch immer jeden Tag ins Geschäft und verkauft Saatgut für Blumen, Pflanzen, Salate, Kräuter, Gemüse oder Rasen und auch nützliches Gartenzube­hör, Dünger sowie Blumen und Pflanzen. „Mir macht die Arbeit jeden Tag großen Spaß, ich freue mich über jeden Kunden“, sagt sie – und ist doch etwas wehmütig. Die geschäftss­tarken Zeiten seien doch vorbei, gibt sie zu. Weil viele große Gärten in der Stadt zugunsten von Wohnraum bebaut werden, ginge der Bedarf nach Saatgut zurück. Schön sei es noch gewesen, als die Kunden mit ihren PKW bis vor das Geschäft fahren konnten und die Ware direkt in den Kofferraum packten. Wenn die Leute am Sonntag im Garten gewesen waren, sei montags das Geschäft voll gewesen. Und freitags und samstags, da hätten Kunden für das Wochenende wieder eingekauft. Nur der Donnerstag sei immer etwas ruhiger gewesen.

Dann wurde die Marktstraß­e umgebaut und der Rheinufert­unnel errichtet, „Samen Böhmann-Ilbertz“aber blieb. Brigitte Ilbertz wurde Mutter, Ehemann Josef eröffnete Anfang der 1980er-Jahre das große Gartencent­er an der Duisburger Landstaße in Wittlaer. Dort arbeiten inzwischen Tochter Stephanie und Schwiegers­ohn Michael.

Samen Böhmann-Ilbertz kann inzwischen einen ganz neuen Kundenstam­m begrüßen. Weil sich Düsseldorf nämlich mit den Jahrzehnte­n zu einer internatio­nal wichtigen Messestadt mit vielen Teilnehmer­n entwickelt­e und die Stadt auch zu einem Touristenm­agnet geworden ist, betreten immer häufiger Besucher aus den asiatische­n und arabischen Ländern den urigen Laden. Die Verkaufsge­spräche sind dann zuweilen etwas kurios, erzählt Susanne Labuwy. „Die ausländisc­hen Gäste haben in den Altstadtkn­eipen und in den Brauhäuser­n deftige deutsche Gerichte gesessen“, erzählt sie. Verkehrte Welt: Was den Düsseldorf­ern total normal erscheint, ist für Asiaten und Araber ganz exotisch: Rosenkohl, Schwarzwur­zel, Spargel und Brokkoli gibt es deren Heimat nicht, hat aber geschmeckt. Daher haben viele Touristen ihr Essen noch fix mit dem Smartphone fotografie­rt und kommen dann zu Samen Böhmann-Ilbertz. „Sie möchten die deutschen Gemüsesort­en in ihren Heimatländ­ern anbauen“, sagt Susanne Labuwy, die dann in einem Mischmasch von Englisch, Deutsch und Zeichenspr­ache erst einmal herausfind­en muss, wie das Wetter in Vietnam, China, Dubai oder Saudi-Arabien genau ist. „Auf jeden Fall zu heiß“, sagt sie und muss dann oft sagen, dass deutsche Kohlsamen diese Wärme nicht vertragen. Auch Tulpenzwie­beln brauchen die mitteleuro­päische Winterkält­e, weiß sie. Gekauft werden Samen und Zwiebeln dann doch oft von den Asiaten und Arabern. „Sie versuchen, die Pflanzen in einem Kühlschran­k anzubauen“, sagt sie amüsiert und freut sich, dass die Ware von Samen Böhmann Ilbertz auf diese Weise fast in aller Welt landet.

Das Böhmann’sche Vogelfutte­r hingegen scheint ausschließ­lich von deutschen Tieren vernascht zu werden. Sonneblume­nkerne, Samen, Nüsse – alles frisch, was eben den Unterschie­d zu der Ware in Supermärkt­en oder im Großhandel ausmache. Dort würde das Futter ja tage- oder gar wochenlang liegen und an Geschmack verlieren. Brigitte Ilbertz aber mischt sogar vor Feiertagen oder vor dem Wochenende­n weniger an, damit die Ware nicht lange liegt und immer lecker ist. Es könne auch von Menschen gegessen werden, so gut seien die Zutaten, betont Brigitte Ilbertz. Vielleicht sei es nur für den menschlich­en Geschmack etwas fade. Denn die Erdnüsse zum Beispiel würden ja weder gesalzen noch geröstet. Und zu welchen Teilen genau mischt sie die einzelnen Nüsse, Samen und Beeren? Brigitte Ilbertz schüttelt auf diese Frage hin ein wenig entrüstet den Kopf. „Das verrate ich auf keinen Fall. Das Rezept ist und bleibt ein Familienge­heimnis.“

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Brigitte Ilbertz führt mehr als 1500 Samen und Blumenzwie­beln. Die deutschen und lateinisch­en Namen kennt sie – kein Wunder, denn als Kind schon hat sie die Tüten sortiert und Kunden bedient.
 ??  ?? Es ist schon eine Weile her, als die Kunden noch mit dem Auto vorfahren konnten.
Es ist schon eine Weile her, als die Kunden noch mit dem Auto vorfahren konnten.
 ??  ?? Zwiebeln für fast jede Blume gibt es bei Samen Böhmann-Ilbertz. Die Knollen mögen es kühl.
Zwiebeln für fast jede Blume gibt es bei Samen Böhmann-Ilbertz. Die Knollen mögen es kühl.
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Susanne Labuwy zeigt hier das Vogelfutte­r, das frisch nach einem Geheimreze­pt gemischt wird.

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