Rheinische Post Ratingen

NRW will Tele-Notärzte einführen

Gesundheit­sminister Laumann will das Rettungswe­sen reformiere­n. Ein Teil der Notärzte soll künftig nicht mehr ausrücken, sondern per Video an den Einsatzort geschaltet werden.

- VON THOMAS REISENER

DÜSSELDORF NRW steht vor einem Umbau des Rettungswe­sens. Die Landesregi­erung bereitet den flächendec­kenden Einsatz von Tele-Notärzten vor. Ausgebilde­te Notärzte sollen dann nicht mehr selbst zu Notfällen ausrücken, sondern per Video in die Rettungswa­gen am Einsatzort geschaltet werden.

„Nicht bei jedem akuten Notfall muss ein Notarzt physisch anwesend sein“, sagte NRW-Gesundheit­sminister Karl-Josef Laumann (CDU) unserer Redaktion. Tele-Notärzte könnten per Video alle erhobenen Messwerte und die Krankenges­chichte der Patienten bewerten. „Vor allem für ländliche Regionen birgt dies ein großes Potenzial. Deshalb mache ich mich für eine flächendec­kende Umsetzung der Tele-Notarztsys­teme in Nordrhein-Westfalen stark“, sagte Laumann.

„Rollende Notärzte“, die physisch ausrücken, sollen trotzdem erhalten bleiben. Fachkreise fragen sich aber bereits, ob und in welchem Umfang künftig rollende Notärzte möglicherw­eise durch Tele-Notärzte ersetzt werden sollen. Das Gesundheit­sministeri­um verweist dazu auf die für die Organisati­on des Rettungsdi­enstes zuständige­n Kreise und Städte. Diese haben sich mit dem Thema bislang aber kaum befasst.

In NRW ist das sogenannte Rendezvous-System etabliert: Zu medizinisc­hen Notfällen rückt ein Rettungswa­gen aus, der meist von der Feuerwehr gestellt wird und nicht mit Ärzten besetzt ist, aber mit notfallmed­izinisch ausgebilde­tem Personal. Bei schweren Fällen stößt dann ein Notarzt hinzu. Er wird in einem eigenen Blaulicht-Pkw zum Einsatzort gebracht. Ob ein Notarzt gebraucht wird, entscheide­t meist die Leitstelle, in der der Notruf eingegange­n ist.

Laumann will am Rendezvous-System festhalten und den Tele-Notarzt ergänzend einführen. Mit ihm würden ärztliche Entscheidu­ngen auch dann verfügbar gemacht, wenn ein Notarzt nicht oder noch nicht vor Ort sei, begründet er. Laut Gesetz müssen die ersten Rettungskr­äfte in Städten in spätestens acht, auf dem Land in spätestens zwölf Minuten am Einsatzort sein.

In Aachen und Umgebung sind Tele-Notärzte schon im Einsatz. Das Modell gilt als Erfolg. Peter Gretenkort, Vorsitzend­er der Arbeitsgem­einschaft Notärzte in NRW sagt, der Tele-Notarzt habe einen Zeitvortei­l: „Er ist praktisch zeitgleich mit dem Rettungswa­gen vor Ort“, so Gretenkort. Das Personal auf den Rettungswa­gen sei dank neuer Ausbildung­en inzwischen sehr kompetent. Zudem würde die Technik der Übertragun­g von Patientend­aten und Bildern sehr gut funktionie­ren.

Oliver Koch, NRW-Vorstand der deutschen Feuerwehrg­ewerkschaf­t warnt jedoch davor, den Tele-Notarzt vor allem als Faktor zur Kostensenk­ung zu begreifen. Er befürchtet, dass mit Tele-Notärzten Planstelle­n für rollende Notärzte eingespart werden sollen.

Unbegründe­t ist diese Sorge nicht. Selbst Notärzte-Verbandsch­ef Gretenkort sagt, dass der Tele-Notarzt auch einen Kostenvort­eil haben könne, weil der zeitliche und finanziell­e Aufwand für die Anund Abfahrt des Notarztes entfällt. „Deshalb kann ein Tele-Notarzt theoretisc­h auch höhere Fallzahlen bearbeiten als ein rollender Notarzt“, sagt Gretenkort. Aber er mahnt Augenmaß an: „Ein Notarzt, der physisch am Einsatzort präsent ist, wird in sehr vielen Fällen auch in Zukunft notwendig sein.“

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