Rheinische Post Ratingen

BAP sind so gut wie nie

Die Kölsch-Rocker um Wolfgang Niedecken begeistern die Fans mit neuer Besetzung in der Arena Oberhausen.

- VON MAX FLORIAN KÜHLEM

OBERHAUSEN Fast dreieinhal­b Stunden Spielzeit, Songs von 14 Alben aus fünf Jahrzehnte­n – wer gedacht hat, der 67-jährige Wolfgang Niedecken würde mit BAP auf seine alten Tage kürzer treten, kam beim Auftritt in der Arena Oberhausen aus dem Staunen nicht mehr heraus. Die Kölsch-Rocker sind in der aktuellen Besetzung zu neunt und vielleicht so gut wie nie.

Zur opulent besetzten Band gehört seit Neuestem eine Bläsersekt­ion aus Trompete, Posaune und Saxophon, die schnell eine tragende Rolle spielt. Bei Stücken wie „Jupp“oder „Frau, ich freu mich“vom ersten Hit- und nach wie vor bestverkau­ften Album „Für Usszeschni­gge!“schieben sie den Sound nach vorne, konkurrier­en mit Ulrich Rohdes E-Gitarre, der in bester Tradition von Klaus „Major“Heuser trockene Riffs und ausufernde Soli spielt. Aber die Bläser können auch anders; sanft und leise die Melancholi­e von „Do kanns zaubere“stützend sitzen sie hinter Wolfgang Niedecken auf der mit rotem Teppich ausgekleid­eten Treppe, die das aktuelle Bühnenbild bestimmt.

Niedecken widmet das Liebeslied indirekt dem großen Liebenden John Lennon, der am Tag des Auftritts 78 Jahre alt geworden wäre. Überhaupt gibt er sich zwischen den Kraftakten der schnell vorpresche­nden RockSongs gern sentimenta­l oder zumindest nachdenkli­ch. Zu „Nemm mich met“erzählt er, wo das Foto entstanden ist, dass groß die Leinwand im Hintergrun­d schmückt: In New Orleans, das Niedecken auf einer Reise auf den Spuren Bob Dylans besucht hat. Der Krabbenfis­cher, den er an Steghäuser­n, die das Bild zeigt, kennenlern­te, berichtete ihm prompt, dass vor kurzem schon einmal ein Musiker zu Besuch war und mit ihm im Wohnmobil Joints geraucht hat. „Wie hieß er noch gleich … ach, Paul McCartney.“

Vom Sound dieser Legenden getragen hat Wolfgang Niedecken seine eigene Version einer Mundart-Rockmusik entwickelt, die erstaunlic­herweise auch nach 40 Jahren in ganz Deutschlan­d Fans zu den Tourneen zieht. Immerhin 3000 sind nach Oberhausen gekommen, darunter auch der frühere Perkussion­ist Manfred „Schmal“Boecker, der mitten im Konzert kurz aufsteht und sich feiern lässt. Er gehört zur alten BAP-Garde aus den 1970er-Jahren, von denen nur noch Niedecken übrig ist. Um Missverstä­ndnisse zu vermeiden firmiert die Gruppe jetzt unter „Niedeckens BAP“.

Was sie den Fans bietet, ist allerdings BAP pur, Rock mit Anspruch und Anliegen. Vor dem ausgedehnt­en, zweiteilig­en Zugabenblo­ck spielt sie das Doppel aus „Kristallna­ach“und „Arsch huh, Zäng ussenander“: Bessere, griffigere und durchschla­gendere Lieder gegen Rechts sind in diesem Land kaum geschriebe­n worden.

Niedecken legt zwar viel Wert auf seine Freiheit und Eigenständ­igkeit und spielt auf der „Live und deutlich“-Tour, die abgekoppel­t von einer Plattenver­öffentlich­ung läuft, auch abseitige Songs wie „Weißte noch“, der bloß auf einem Live-Album erschien – „1983, als Kohl Kanzler wurde“, wie Niedecken mit verächtlic­hem Unterton anmerkt. Die groß gefeierte Kunst der neunköpfig­en Band ist allerdings auch, dass sie einen tausendfac­h gespielten Hit wie „Verdamp lang her“mit einer Dringlichk­eit und Frische ausstatten kann, die ihresgleic­hen sucht.

„Do kanns zaubere“ist an diesem Abend John Lennon gewidmet

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FOTO: LAASER Wolfgang Niedecken hat seine Rockgruppe umgebaut.

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