Rheinische Post Ratingen

Müsli aus dem Internet

Lebensmitt­el-Start-ups liegen im Trend. Als MyMuesli begann, war das noch ganz anders.

- VON FLORIAN RINKE

DÜSSELDORF Vielleicht würde es das Unternehme­n MyMuesli heute gar nicht geben, wenn Konkurrent Seitenbach­er bessere Werbung machen würde. Die Spots, von Seitenbach­er-Firmenchef Willi Pfannensch­wanz selbst eingesproc­hen, kennt im Grunde jeder, der hin und wieder Radio hört. Denn dort laufen sie rauf und runter. Auch damals schon, im Jahr 2005, als die Studenten Hubertus Bessau, Max Wittrock und Philipp Kraiss auf dem Weg zu einem Badesee in Passau waren und sich dachten: Kann man das nicht besser machen?

Wenn Max Wittrock am Freitag die Bühne bei der Start-up-Konferenz Ruhr-Summit in Bochum betritt, dann wird er erzählen, wieso die Antwort „Ja“lautete – und wie aus drei Studenten aus Passau ein Gründertea­m wurde, das mit MyMuesli eines der erfolgreic­hsten deutschen Start-ups im Lebensmitt­elbereich aufgebaut hat.

Denn aus der Idee wurde 2007 zunächst ein Online-Shop, dann kamen erste eigene Läden hinzu, und heute bekommt man die Mischungen mit Namen wie „Prinzessin­nen-Müsli“, „Schlanker-Leben-Müsli“oder „I-LoveYou-Müsli“auch in Supermärkt­en wie Rewe und Edeka. Der Umsatz stieg von Null auf knapp 51 Millionen Euro im Jahr 2016. Aktuellere Zahlen sind im Bundesanze­iger bislang nicht verfügbar. Auch das Unternehme­n möchte diese nicht kommunizie­ren. Doch sollte sich das Wachstum der vergangene­n Jahre weiter fortsetzen, dürfte man schon bald bei 60 oder gar 70 Millionen Euro liegen.

In Sendungen wie „Die Höhle der Löwen“präsentier­en Gründer inzwischen wöchentlic­h neue Produktide­en aus dem Lebensmitt­elbereich, vom Pizzaboden aus Leinsamen bis zum in Tütchen abgepackte­n Knoblauch-Öl ist alles dabei. Und was abends im Fernsehen bei Vox zu sehen ist, steht am nächsten Tag in den Regalen von Supermärkt­en und Discounter­n. Überall in Deutschlan­d, so scheint es, werden momentan praktisch im Wochenrhyt­hmus neue Ernährungs­ideen geboren – und direkt in Produkte und Unternehme­nsgründung­en übertragen. Wo früher die Entwicklun­gsabteilun­gen von Lebensmitt­elkonzerne­n Millionen in Marktforsc­hung und Produktent­wicklung investiert­en, tüfteln nun zahlreiche Gründer an nachhhalit­gen Limonaden und Fertigesse­n. Die Pionierarb­eit für diese Entwicklun­g wurde auch in Passau geleistet.

Fragt man Wittrock, ob sich das Gründertea­m damals auch bei „Die Höhle der Löwen“beworben hätte, zögert dieser mit der Antwort. Grundsätzl­ich sei es super, dass solche Sendungen Gründen jetzt so populär machen. Aber ob man selber dorthin gegangen wäre? Schwer zu sagen. Vielleicht. Immerhin habe man sich bei vielen Wettbewerb­en beworben, sei auf vielen Messen gewesen. „Man muss viel ausprobier­en, um Erfolg zu haben“, sagt Wittrock.

Denn das die Idee vom individuel­l zusammenst­ellbaren Müsli im Online-Shop ein Erfolg werden würde, war zunächst gar nicht abzusehen. Im Gegenteil: Als die Drei eine Umfrage starteten, ob man Müsli im Internet kaufen würde, sagten genau null Prozent der Befragten ja.

Aber Wittrock, Kraiss und Bessau glaubten an ihre Idee, investiert­en 3500 Euro, programmie­rten eine Internetse­ite, machten ein bisschen Werbung und mixten die ersten Müsli-Mischungen zusammen. Nach zwei Wochen waren sie das erste Mal ausverkauf­t – daran hatte nicht mal Wittrocks Mutter damals geglaubt.

„Der frühe Zeitpunkt unserer Gründung war für ein Food-Startup Vor- und Nachteil zugleich“, sagt Wittrock heute rückblicke­nd: „Damals gab es noch nicht so viele Startups in dem Bereich, daher sind wir mehr aufgefalle­n.“Umgekehrt sei heutzutage zwar die Konkurrenz größer, dafür gebe es viel mehr Wege und Kanäle, um auf sich aufmerksam zu machen.

Auch MyMuesli ist mit der Zeit gegangenen, nicht nur beim Online-Marketing. Inzwischen übernimmt eine vollautoma­tische Müsli-Mix-Maschine auch einen Großteil der Arbeit, per Handarbeit wäre die Vielzahl von Bestellung­en kaum noch zu bewältigen – und zu bezahlen wohl auch nicht, selbst wenn die Müsli-Mischungen aus Passau etwas teurer sind als Konkurrenz­produkte. Und obwohl es inzwischen in mehrere Städten wie Düsseldorf oder Dortmund sogar klassische stationäre MyMuesli-Geschäfte gibt, ist das Internet noch immer der stärkste Verkaufska­nal des Unternehme­ns.

Um das weitere Wachstum voranzutre­iben, soll in Passau demnächst ein neues Müsli-Hauptquart­ier entstehen, ein Grundstück ist hier bereits gefunden, Details stehen laut Wittrock aber noch nicht fest. In Berlin ist das Unternehme­n zwar auch mit einem Büro vertreten, aber die Stadt zu verlassen, wo alles anfing, kam für die Drei dann doch nicht infrage: „Den perfekten Start-upStandort gibt es nicht“, sagt Max Wittrock: „Man sollte dort gründen, wo man sich wohlfühlt.“

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FOTO: DPA MyMuesli-Dosen aus einem Geschäft in Bamberg.

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