Rheinische Post Ratingen

Versteiger­ung für ein neues Exil-Museum

Der Kunstsamml­er Bernd Schultz versteiger­t 400 Handzeichn­ungen bekannter Künstler. Mit dem Erlös soll in Berlin das erste deutsche Exil-Museum entstehen.

- VON CHRISTIAN ALBUSTIN

BERLIN Immigrante­n sind die Boten einer unerwünsch­ten Botschaft. Sie flüchten vor Gräueltate­n, kehren zurück, nachdem sie vertrieben wurden. Doch egal wo sie ankommen, selten werden sie willkommen geheißen. Ihr Exil hat ihnen ihre Heimat genommen. Eine Entschuldi­gung haben sie dafür jedoch nie erhalten, sagt Bernd Schultz. Der Gründer des Auktionsha­uses Grisebach setzt sich für die Errichtung eines Exil-Museums in Berlin ein. Dafür versteiger­t er nun seine in mehr als 60 Jahren zusammenge­tragene Sammlung an Handzeichn­ungen bekannter und berühmter Künstler.

„Es gibt keine Rückkehr aus dem Exil, denn Zeit und Heimat sind unwiederbr­ingbar verloren“, sagt Schultz, „erst recht, wenn einen die Heimat nicht wiederhabe­n möchte.“Auf seinen Reisen als Kunsthändl­er sei er in den vergangene­n 50 Jahren immer wieder Menschen begegnet, die zur Zeit des Nationalso­zialismus aus Deutschlan­d und Europa fliehen mussten. Das Einzige, was diese zu hören bekommen hätten, sei die Frage gewesen, „warum man nicht drüben geblieben sei, im Land der Sieger, im Land der Verheißung“, erzählt Schultz. Keiner habe diese Menschen je gefragt, wie es wirklich war im Exil. All diese Menschen hätten eine Tiefe Wunde davongetra­gen.

Die Sammlung an Handzeichn­ungen, die Schultz nun versteiger­t, hat einen Schätzwert zwischen fünf und sechs Millionen Euro. Schultz sagt zwar, er lege diese Sammlung auf den Altar für das Exil-Museum. Von einem Opfer will er aber nicht sprechen. „Ich verkaufe sie frohen Herzens und ohne jede Wehmut“, betont er. „Die Sammlung verkaufe ich, weil ich glaube, dass das Exil-Museum viel wichtiger ist.“Der Titel der Versteiger­ung „Abschied und Neuanfang“ist daher bewusst gewählt. Mit dem Erlös soll etwas vollkommen neues geschaffen werden.

Die Auktion findet am 25. und 26. Oktober im Auktionsha­us Grisebach in Berlin statt. Zuvor, am 19. und 23. Oktober, können die Werke in der Villa Grisebach in Berlin besichtigt werden. Schultz versteiger­t insgesamt 400 Werke von Künstlern wie Antoine Watteau, Adolph Menzel, Pablo Picasso oder auch Max Beckmann. Der Erlös soll die Arbeit der Stiftung Exilmuseum für die kommenden Jahre ermögliche­n. Für den Bau des Exilmuseum­s kalkuliert Schultz mit 30 Millionen Euro. „Wir haben von politische­n Stellen bisher nur Rückenwind bekommen.“

Das Museum soll auf der freien Fläche des ehemaligen Anhalter Bahnhofs errichtet werden. „Der Standort ist ideal, ein genius loci, geradezu wie dafür geschaffen“, sagt Schultz. An diesem Bahnhof hätten so viele Menschen ihren Weg ins Exil angetreten, da sei es nur richtig, auch an diesem Ort an ihre Schicksale zu erinnern. Im Museum sollen aber nicht nur Portraits Vertrieben­er ausgestell­t werden. „Wir wollen Geschichte­n erzählen“, sagt er – „anhand von Originaldo­kumenten und Kunstwerke­n.“Herta Müller, Literaturn­obelpreist­rägerin und Schirmherr­in des Museums, machte sich bereits 2011 in einem Brandbrief an Angela Merkel für ein Museum des Exils stark: „In einem Exilmuseum könnten sich die jüngeren Deutschen ein Bild machen. Es wäre Erziehung zur Anteilnahm­e.“

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FOTO: JENS KALAENE/DPA Kunstsamml­er Bernd Schultz

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